Paradies der Leidenschaft
antwortete Jared. »Du hast doch Leonaka gesehen, meinen Vorarbeiter.«
»Ja.«
»Kuliano ist sein Vater. Leonaka und ich sind zusammen aufgewachsen, mehr wie Brüder als wie Vettern.«
»Für dich ist das Wort Vetter ein Ausdruck der Freundschaft, oder?«
»Nein, die Naihes sind entfernte Blutsverwandte.«
»Aber sie sind doch Hawaiianer.«
»Ganz richtig beobachtet.«
Corinne war verwirrt. »Könntest du mir das, bitte, erklären?«
»Leonaka und ich haben dieselbe Urururgroßmutter, Leimomi Naihe. Du siehst also, dass ich selbst auch hawaiianisches Blut in mir habe, wenngleich auch nicht mehr viel davon übrig ist. Willst du mehr darüber wissen?«
»Ja.«
»Leimomi war eine wunderschöne Frau, die in Kauai gelebt hat, der Insel, auf der Captain Cook 1778 zum erstenmal gelandet ist. Du hast doch schon von Cook gehört?«
»Ja.«
»Als er kam, wurde er für einen Gott gehalten, und die Hawaiianer, ein freundliches, feinsinniges Volk, konnten gar nicht genug für ihn und seine Mannschaft tun. Leimomi gab sich einem der englischen Matrosen hin, einem Mann, den sie nur als Peter kannte. Er reiste ab, ohne zu wissen, dass sie ihm bald darauf einen Sohn gebären würde. Es war ein junge, den sie Makaulilo nannte. Später hat Leimomi einen Mann aus ihrem eigenen Land geheiratet und ihm einen Sohn und zwei Töchter geboren. Ihr Mann akzeptierte Makaulilo und zog ihn auf wie ein eigenes Kind. Doch der junge wuchs mit dem Gefühl auf, ein Ausgestoßener zu sein. Cooks Besuche endeten mit Blutvergießen, und über einen längeren Zeitraum hinweg herrschte großer Groll gegen die weißen Männer. Makaulilo war ziemlich hellhäutig und somit eine ständige Erinnerung an die verabscheuten weißen Männer, die weiterhin die Inseln aufsuchten. 1794, im Alter von nur fünfzehn Jahren, ist er auf einem Walfänger zum Festland gefahren. Fünf Jahre später ist er mit einem Sohn zurückgekehrt, den ihm eine amerikanische Prostituierte geboren hatte, die nichts mit dem Kind zu tun haben wollte und es verkauft hätte, wenn Makaulilo den Jungen nicht für sich beansprucht hätte.«
»Das ist ja entsetzlich!«
Jared warf ihr einen Seitenblick zu und fuhr dann fort: »Makaulilo brachte Keaka, das Baby, zu seiner Mutter. Sie zog es auf der Insel Oahu auf. Doch der Junge blieb nicht auf der Insel. 1818 segelte er nach England und von dort aus weiter nach Irland. Er heiratete, und 1820 wurde Colleen Naihe geboren. Keaka wurde in Irland sesshaft. Colleen wuchs dort auf und heiratete 1839 einen französischen Händler, Pierre Gourdin. Ein Jahr später wurde meine Mutter geboren.« Jareds Stimme wurde weicher, als er über seine Mutter sprach. »Ranelle hat ihre Jugend in Frankreich verbracht. 185o kam sie mit ihren Eltern nach San Francisco.«
»War das nicht zu der Zeit, als dort das erste Gold entdeckt worden ist?« fragte Corinne.
»Ja. Doch sie hatten kein Glück, und Pierre war mit Leib und Seele ein Händler. Drei Jahre lang zogen sie kreuz und quer durch Amerika, bis sie sich schließlich in Boston niederließen und dort einen kleinen Laden eröffneten.«
»Damals hat Ranelle meinen Vater kennengelernt?« fragte Corinne vorsichtig.
»Ja. Sie hatte das Gefühl, nicht in Boston bleiben zu können, nachdem dein Vater die Verlobung gelöst hatte. Ihre Eltern waren nicht mehr am Leben, und da der Bürgerkrieg sich bereits ankündigte, hatte sie das Gefühl, es sei am besten, die Vereinigten Staaten zu verlassen. Sie wußte, dass sie hier noch entfernte Verwandte hatte, und hat sich auf den Weg gemacht, sie zu suchen. Sie fand Aleka und Kuliano, die ebenfalls die Geschichte von Leimomi und ihrem erstgeborenen Sohn Makaulilo kannten. Aleka und Kuliano sind Nachkommen der anderen Kinder Leimomis. Ranelle war Lehrerin, bis sie meinen Vater kennengelernt hat und sie geheiratet haben. Den Rest kennst du schon.«
»Du bist also hauptsächlich Engländer und Franzose mit ein wenig irischem und noch weniger hawaiianischem Blut.«
»Stört dich das hawaiianische Blut?«
»Wieso sollte es das? Außerdem gefällt es mir, dass eine so komplizierte Geschichte von Generation zu Generation weitergegeben worden ist. « Nach einer Pause fragte sie: »Hasst du meinen Vater immer noch, Jared?«
»Das, was ich für Samuel Barrows empfinde, sitzt schon lange in mir fest, Corinne.«
»Das heißt also, dass du ihn noch haßt«, bemerkte sie stirnrunzelnd. »Und was ist mit mir?«
»Eine Zeitlang waren dein Vater und du ein und dasselbe für
Weitere Kostenlose Bücher