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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Reithalle auf und sie erklärte, man müsse ihn gehört haben. Beim Betreten des Lokals fragte sie:
    „Hast du gehört, in Südamerika gibt es Strassenschlachten. Die Leute überfallen die Läden und Warenhäuser, um zu Essen zu klauen. Nichts anderes. Alle Zeitungen und Fernsehberichte sind voll davon.“
    „Ja, ich habe es gesehen“, erwiderte Vincent. „Anscheinend lässt sich ihre Situation nicht mehr ertragen.“
    „Ist es wirklich wahr, dass zu wenig zu Essen angepflanzt wird? Ich kann es mir gar nicht vorstellen. Man muss doch die eigene Bevölkerung versorgen“, sagte Nuuk nachdenklich.
    „Wenn du bessere Gewinne mit Export machst, sind dir die eigenen Leute egal“, meinte Vincent, der das Thema allzu gut kannte.
    „Aber –“.
    Sie brach a b und dachte nach. Schliesslich fragte sie: „Würdest du das von dir sagen? Würdest du so handeln? Könntest du so gewissenlos sein?“
    „Du brauchst diese Sojabohnen für deine Forschung, nicht? Du bist gewissenlos, indem du eine Industrie unterstützt, die anderen Leuten das Land für ihre Nahrung raubt. Ich stehe hier nicht zur Diskussion“, meinte er.
    „ Richtig, das sagst du immer, aber ich will von dir wissen, wie du denkst? Glaubst du, du könntest den Bauern in die Augen schauen und verlangen, dass sie die Ernte aus dem Land schaffen?“ beharrte sie.
    „Ich glaube nicht, dass ich es könnte, aber was weisst du in einer globalen Welt schon, wenn du jemanden beraubst und einen anderen überbezahlst? Weisst du, ob jemand in der Baumwollweberei an Staublunge eingegangen ist, als er deine Jeans produziert hat?“ fragte er wieder.
    Nuuk blickte nachdenklich vor sich hin. Still nahmen sie an einem kleinen Tisch Platz und bis die Getränke kamen, sprachen sie kaum.
    Endlich begann das Konzert, die Lichter im Saal wurden trübe und auf der Bühne setzte sich eine schlanke Gestalt auf ihren Hocker. Im Dunkeln begann er zu singen, und wirklich, die Stimme war aussergewöhnlich und von so tiefempfundener Traurigkeit, dass Consuelo ohne den Worten folgen zu können, hingerissen war. Allmählich wurde die Bühne erleuchtet und Lobsang war hinter dem Mikrophon zu erkennen. Er hatte dunkelbraune Locken und schwarze Augen, die das Publikum überblickten, ohne es zu sehen. Seine langen Wimpern gaben ihm ein androgynes Aussehen und seine Lippen waren fast rosig. Doch vielmehr als er schien seine Stimme die Bühne einzunehmen.
    Es war dies eine Stimme, die singend von etwas erzählte, was Consuelo aus ihrer Rede mit den Geistern kannte. Es lag ein Weg in seinem Singen und ein Hinweis auf ein Weben hinter dem Sichtbaren, wie sie es noch nicht erlebt hatte.
    „Von was singt er?“ fragte sie deshalb Vincent.
    „Von menschlichen Schwächen. Und natürlich von Liebe, wie alle Sänger“, meinte er.
    Consuelo nickte und schwieg.
    „Ich habe den Eindruck“, sagte Nuuk unvermittelt, „dass mein Chef uns betrügt.“
    „Wieso denn das?“ fragte Vincent.
    „Ich habe bei unserem Lieferanten eine Bestellung in Auftrag gegeben, so dass sie genau einen Container füllt, und er hat die Lieferung zusammengestrichen. Das hat er schon einmal gemacht, es wiederholt sich einfach. Irgendetwas ist daran faul“, sagte sie.
    „Was nimmst du denn an, ist faul daran?“ fragte er weiter.
    „Ich kann es nicht sagen, aber ich frage mich, warum er wollen könnte, dass wir mehrere Lieferungen bestellen, anstelle einer grossen. Verstehst du? Das klingt doch irgendwie...“ liess sie den Satz in der Schwebe. Zu unvorstellbar war ihr die Konsequenz. Welchen Vorteil sollte er daran haben?
    „Glaubst du, er tut das mit voller Absicht?“ erkundigte sich Vincent weiter. Es war während des Konzertes und sie verstanden einander schlecht.
    „Er tut es jedenfalls immer wieder und bisher hat es ihn noch nie interessiert, wie wir bestellen“, führte sie aus.
    „Hast du ihn schon einmal gefragt, warum er das tut?“
    „Ja, aber er hat nur gemeint, dass ich mich nicht in jeden Kram einzumischen brauche. Ich soll sehen, dass ich meinen Teil der Arbeit leiste. Eine super Antwort, wirklich“, erwiderte sie.
    Vincent nickte und sie wandten sich wieder dem Geschehen auf der Bühne zu, wo der brombeeräugige Waldvogel sang und die lauschenden Seelen für sich einnahm.
    „Was meinst du mit menschlichen Schwächen?“ fragte Consuelo da und Vincent wandte sich ihr erstaunt zu.
    „Naja“, erwiderte er nachdenklich, „wenn man eben nicht in der Lage ist, das zu tun, was richtig wäre und gut

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