Paradies für alle: Roman (German Edition)
als Lotta, bei der ich nie wusste, was hinter ihrer Stirn vorging, auch wenn sie gerade so tat, als wäre sie eine Pflanze. Und das Baby war ein einfaches Baby, es wurde gern gebadet und schrie, wenn es hungrig war, und es sah mich mit seinen großen blauen Babyaugen beim Baden eine halbe Minute lang an, ansonsten hielt es sie fest geschlossen, was ich dieser Welt gegenüber vernünftig fand. Celia hatte es nach dem Baden in einen weiteren weißen Strampelanzug und ein weißes Hemdchen gesteckt, und es sah unglaublich frisch und neu und sauber aus.
»Hat die kleine Marie nur weiße Sachen?«, fragte ich verwundert.
»Naja«, sagte Celia. »Da waren diese ganzen Handtücher aus der Klinik, die die mir geschenkt haben. Was soll denn ein Mensch mit so vielen Handtüchern? Ich hab dann die Sachen daraus genäht. Und aus ein paar alten T-Shirts von mir. Das ging ganz gut. Ich hab eine Nähmaschine.«
»Alle Achtung«, sagte ich. »Ich könnte keine Babysachen nähen.«
Und da strahlte Celia, weil sie etwas konnte, das ich nicht konnte, aber sie fügte schnell noch hinzu: »Ich kann’s auch nicht, wissen Sie, ich hab’s nur einfach gemacht.«
Und dann lag die kleine Marie in ihren weißen Handtuchsachen bei uns auf dem alten Sofa, auf einem der Felle dort, und über den Bildschirm des Computers liefen die Narnia-Kinder in ihren schön altmodisch englischen Sachen durch schön altmodisch englischen Schnee.
»Erinnern Sie sich gerne an die Zeit, als David ein Baby war?«, fragte Celia in einer Filmpause, die entstand, weil die DVD einen Kratzer hatte und das Bild stehen blieb.
Ich nickte. »Doch, schon. Babys sind so … hilflos. Und man kann ihnen eine Menge helfen. Ich meine, sie lassen sich helfen. Das ist schön.«
»Ja, das ist schön«, sagte Celia und lächelte ihr Baby an, das auf dem Sofa eingeschlafen war, ein weißes Frotteebaby auf einem schwarzen Schaffell zwischen bunten Kissen.
Und ich dachte an die Babysachen, die ich für David gekauft hatte, und wie viel Spaß es mir gemacht hatte, all diese winzig kleinen Dinge für ihn auszusuchen, ehe er selbst hatte bestimmen können, was er anziehen wollte, zum Beispiel einen gestreiften Pullover, der später verschwand.
Damals hatte es in der Stadt einen kleinen Laden gegeben, der Babysachen verkaufte, die einmal etwas anderes gewesen waren, alte Kleider, Hosen, Pullover. Die Frau, die die Sachen nähte, hatte nur die schönsten alten Kleider ausgesucht, und die Sachen waren bunt und hübsch gewesen und verdammt teuer. Mir war es egal gewesen, aber als ich jetzt daran dachte, hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel Geld für winzige Hosen und Pullover ausgegeben hatte, die nur wenige Monate lang getragen worden waren. Irgendwo mussten sie noch sein, eingemottet in einer Kiste …
Während der Film weiterlief, fragte ich mich, ob ich sie finden und Celia geben könnte und ob ich das wollte.
Dann hing die DVD zum zweiten Mal, und wir machten wieder eine Pause, und mir fiel ein, dass ich Celia etwas fragen musste.
»Ich habe nachgedacht«, sagte ich, »über René … Ich weiß nicht, wie gut Sie ihn kennen … sicher besser als ich. Ich glaube, es wäre besser für ihn, wenn er von hier wegginge.«
Celia nickte. »Die ärgern ihn immer«, sagte sie. »Eine Weile haben sie’s nicht mehr getan, weil David die Fotos gemacht hat, aber jetzt tun sie es wieder.«
»Ja, und ich habe vielleicht Arbeit für René«, sagte ich. »Ich kenne ein Café, in der Stadt, ich kenne es ziemlich gut, ich habe da mal nachgefragt … um dort zu arbeiten, muss man keinen Schulabschluss haben oder irgendwas. Sie nehmen sogar nur Leute ohne Schulabschluss. Solche wie René. Meinen Sie, das würde ihm gefallen? Ich will ihn nicht fragen, wenn er vielleicht sowieso nicht will?«
»Er will ganz bestimmt«, sagte Celia. »Wenn da Menschen sind, die sich um ihn kümmern. Nette Menschen. Er kann nicht so gut alleine sein. Ich … ich würde auch gerne irgendwo arbeiten«, fügte sie hinzu. »Ich würde gerne …« Sie sah mich an, zweifelnd. »Wenn ich könnte, würde ich gerne was lernen. Was Richtiges, nicht nur so in einem Projekt für Leute wie René. Ich würde gern einen richtigen Beruf lernen. Aber dafür bin ich wohl zu dusselig.«
»Nein«, sagte ich.
»Nein?« Sie sah mich an, erstaunt, ihre Augen groß vor Hoffnung, und das gab mir einen Stich.
»Ich find so viele Sachen schwierig, wissen Sie. Lesen und Schreiben. In der Schule hatte man das ja
Weitere Kostenlose Bücher