Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
seinen Vater davon überzeugen wollte, dass er sich als Direktor von
Svenska Hotellen
mindestens ebenso eignete, wie es Bengt getan hätte.
Bengt, der es nicht einmal geschafft hatte, seine eigene kleine Familie in den Griff zu bekommen.
Seufzend fuhr Mikael sich mit dem Handrücken über die Stirn. Vermutlich war es gemein, so über seinen toten Bruder zu denken. Er hatte Bengt geliebt, keine Frage. Doch das bedeutete nicht, dass er blind für seine Fehler und charakterlichen Schwächen gewesen wäre. Ganz im Gegensatz zu ihrem Vater, der in seinem Ältesten stets den perfekten Sohn und den einzig würdigen Nachfolger gesehen hatte.
Bis heute weigerte sich Klemens Westerberg beharrlich, auch nur den Gedanken zuzulassen, dass der Tod von Bengt und seiner Familie womöglich kein tragischer Unglücksfall gewesen war. Dabei wusste er ebenso gut wie Mikael, dass Bengt sehr unter den ewigen Affären und Seitensprüngen seiner Frau Ingrid gelitten hatte. Leider war er nur nie in der Lage gewesen, einmal richtig auf den Tisch zu hauen.
Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Ole hatte Ingrid ihr wahres Gesicht gezeigt: Ihr Verhalten hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie weder Bengt noch den kleinen Ole liebte. Ihr war es von Anfang an nur darum gegangen, ein sorgloses Leben in Luxus und Wohlstand zu führen. Mikael hatte seinem Bruder mehr als einmal zur Scheidung geraten, doch Bengt war wie vernagelt gewesen vor lauter Liebe. Er wollte unbedingt seine Ehe retten. Und wohin hatte es ihn geführt? Geradewegs in den Abgrund.
Im Grunde sollte er dankbar sein, dass ihm gerade noch rechtzeitig die Augen über Hanna geöffnet worden waren. Sie und Ingrid mochten sich in vielen Punkten unterscheiden, doch in einer Sache ähnelten sie sich auf geradezu unheimliche Art und Weise: Beide verfolgten mit gnadenloser Konsequenz ihre Ziele, ohne Rücksicht auf Verluste.
Und eines stand für Mikael absolut fest: Er gedachte nicht, denselben Fehler zu begehen, den sein älterer Bruder gemacht hatte.
Hanna saß im Wohnzimmer ihres Hauses, aufgeschlagen auf dem Tisch vor ihr lag Audreys Tagebuch. Doch das Schicksal des englischen Au-pairs schien auf merkwürdige Weise vermischt mit dem Gedanken an Mikael. Wenn Hanna die Augen schloss, sah sie immer nur sein Gesicht vor sich. Was für eine Ironie des Schicksals, dass sie jetzt, wo es zu spät war, ihre wahren Gefühle erkannte.
Gestern Nachmittag war sie – ungeladen – in die Versammlung der Protestgruppe geplatzt und hatte ihre ehemaligen Mitstreiter zur Rede gestellt. Doch niemand wollte zugeben, dass er etwas mit dem Sabotageakt auf der Baustelle zu tun gehabt hatte. Peers selbstgefälliges Grinsen war Hanna dabei jedoch höchst verdächtig vorgekommen. Sie war fast sicher, dass er zumindest etwas wusste – ganz egal, ob er nun der eigentliche Saboteur war oder nicht. Doch das half Hanna, was Mikael betraf, leider nicht weiter. Sie hatte noch einmal versucht mit ihm zu sprechen, aber er ging nicht einmal ans Telefon.
Hör auf!
rief sie sich innerlich zur Ordnung.
Es macht keinen Sinn, Dingen nachzutrauern, die du ohnehin nicht mehr ändern kannst. Stattdessen solltest du versuchen, wirklich etwas zu bewegen
.
Sie atmete tief durch und nahm das Tagebuch wieder zur Hand. Draußen fing es bereits an zu dämmern, als Hanna schließlich noch einmal Audreys Schilderungen über ihren Freund studierte. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Einen Namen hatte Audrey die ganze Zeit über nicht genannt. Fest stand nur, dass er etwas jünger als Audrey, blond und gut aussehend war. Zudem kam er offenbar aus einer reichen Familie, die das Verhältnis zwischen ihm und einem Au-pair-Mädchen nicht billigte. Doch das half Hanna bei ihren Nachforschungen nicht weiter. Zu viele Männer passten auf diese Beschreibung.
Es war einfach so frustrierend. Irgendjemand
musste
doch wissen, mit wem Audrey sich heimlich getroffen hatte. Hanna war sicher: Wenn sie einmal den Namen des Unbekannten wusste, dann würde sie endlich die Antworten erhalten, nach denen sie schon so lange suchte. Sie würde erfahren, was in jener schicksalhaften Mittsommernacht wirklich geschehen war.
Sie musste mehr über diesen Jungen herausfinden. Aber wie? Erst jetzt wurde ihr wirklich klar, wie wenig sie eigentlich über Audrey wusste. Mit wem war die junge Engländerin befreundet gewesen? Es musste doch jemanden gegeben haben, dem sie sich anvertraut hatte. Hanna jedenfalls
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