Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
Sie schüttelte den Kopf.
“Albern und kindisch?” Mikael runzelte die Stirn. “Tut mir leid, aber das kann ich überhaupt nicht finden. Wenn überhaupt, dann war es dein Vater, der sich falsch verhalten hat. Er hatte eine Verantwortung für dich, die er nicht erfüllt hat. Das mag jetzt vielleicht hart klingen, nachdem er gestorben ist, aber es ist nun einmal das, was ich denke.”
Durch einen dichten Schleier aus Tränen schaute sie ihn an. “Das verstehst du eben nicht. Ich wünschte trotz allem, wir hätten noch einmal über alles reden können”, sagte sie dann.
“Natürlich”, erwiderte Mikael leise. “Immerhin war er dein Vater. Dann hast du seinetwegen die Protestbewegung gegen das Hotelprojekt ins Leben gerufen?”
“Schon … Aber es gab da noch einen weiteren Grund …”
Und dann erzählte sie ihm von Audrey …
“Natürlich erinnere ich mich daran, was du vor meiner Abreise zu mir gesagt hast, Vater, aber …”
“Kein Aber!”, fiel Klemens Westerberg seinem Sohn brüsk ins Wort, als dieser ihn früh am Morgen des nächsten Tages anrief. “Ich dachte, ich hätte mich klar und verständlich ausgedrückt: Du hast dafür zu sorgen, dass das Wellnesshotel wie geplant errichtet werden kann – und zwar
genau so
wie geplant!”
Er beendete das Gespräch und trat an die riesige Fensterfront seines Penthouses im Herzen von Stockholm. Von hier aus konnte man die gesamte Stadt überschauen. Doch Klemens hatte für das eindrucksvolle Panorama keinen Blick, dazu war er viel zu aufgeregt.
Zu aufgeregt und zu wütend.
Er hätte Mikael niemals mit einem so wichtigen Projekt betrauen dürfen! Der Junge war schon immer aufsässig und rebellisch gewesen, ganz anders als sein älterer Bruder Bengt, der nie eine Anweisung infrage gestellt hatte. Klemens wusste zwar, dass Mikael sich dadurch viel besser für die Rolle seines Nachfolgers eignete, als Bengt es je getan hätte. Das bedeutete jedoch nicht, dass er ihn mit einer solchen Aktion durchkommen lassen würde.
Bei seinem Anruf vorhin hatte Mikael ihm mitgeteilt, dass er den Protesten der Umweltschützer nachgeben und den Standort für das Hotel verändern wollte. Doch ein solcher Kompromiss kam für Klemens schlichtweg nicht infrage. Für ihn bedeutete dieses Wellnesshotel weit mehr als nur eine x-beliebige Investition. Es war für ihn die einzige Möglichkeit, seinem verstorbenen Sohn ein Denkmal zu setzen, denn das Hotel in Dvägersdal war tatsächlich die einzige Geschäftsidee, die Bengt jemals hervorgebracht hatte.
Klemens ging zu seinem Schreibtisch zurück, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer seiner Sekretärin. “Buchen Sie mir den nächsten Flug nach Dalarna”, bellte er in den Hörer. “Und sorgen Sie dafür, dass am Flughafen ein Mietwagen für mich bereitsteht. Ich habe keine Zeit zu verlieren!”
Er würde jetzt das tun, was er schon von Beginn an hätte tun sollen: sich selbst um diese Angelegenheit kümmern.
“Du willst wissen, wie mein Vater reagiert hat?” Unzufrieden rührte Mikael am nächsten Morgen mit dem Löffel in seinem
Havregrynsgröt
– Haferbrei mit selbst eingekochtem Apfelmus – herum.
Er hatte in dieser Nacht lange über das nachgedacht, was Hanna ihm erzählt hatte – sowohl über ihren Vater als auch über das verschwundene Mädchen. Und er war zu dem Schluss gekommen, dass er ihr helfen wollte, selbst wenn das den Bruch mit seinem Vater bedeutete.
“Nun, ich würde sagen, das Gespräch verlief genau wie erwartet. Er hat sich fürchterlich über meinen Vorschlag aufgeregt und ihn dann kategorisch abgelehnt.” Mikael blickte Hanna an. “Aber dieses Mal werde ich nicht nachgeben – und wenn er mich am Ende enterbt, dann soll mir das auch recht sein.”
“Mikael!”, stieß sie erschrocken aus. “Bitte, du solltest so nicht reden. Und ich hoffe, du weißt, dass ich so etwas nie von dir verlangen würde!” Sie schüttelte den Kopf. “Vielleicht haben Finja und Linnea ja recht. Vielleicht sollte ich diese alte Geschichte endlich ruhen lassen. Immerhin liegt Audreys Verschwinden nun bereits fünfzehn Jahre zurück.”
“Aber es geht dir doch auch um den Schutz eines Stücks unberührter Natur”, wandte er ein. “Und weißt du was, inzwischen glaube ich, dass du recht hast: Es wäre ein großer Verlust, wenn die Landschaft rund um den
Trollfjällen
zerstört würde. Es muss eine andere Lösung geben. Eine, mit der wir alle leben können. Und genau deshalb solltest du mir jetzt
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