Paradiessucher
Kunstwerk.«
Sie lacht erneut selbstgefällig. »Die großen Piepser allerdings erfordern mehr Vorsicht. Sie müssen nicht unbedingt Alarm auslösen, aber auf gut Glück aus dem Laden zu gehen und zu hoffen, dass nichts passiert, ist mir zu riskant. Nein, für die großen Piepser brauche ich eine Gehilfin.« Sie lächelt Jasna an. Jasna ist allerdings eingeschlafen.
DIE PARASITEN HABEN SICH EINEN SACK GENÄHT
Jasna musste ins Krankenhaus. Es ist so weit, deshalb bin ich jetzt der Lockvogel, der ablenkt. Maria und Mutter »erobern«. Unsere Taktik geht so: Ich nähere mich völlig normal mit einem Kleidungsstück in der Hand dem Ausgang. Die Piepsgeräte passiere ich nicht, bleibe in unmittelbarer Nähe stehen und tue so, als schaue ich mir das Produkt an. Im gleichen Moment durchqueren Maria und Mutter mit einem vollen Sack unter ihrem Rock die Geräte. Alles schrillt wie verrückt. Ich, mit einem Kleidungsstück in der Hand, erkläre erschrocken dem Personal, dass ich die Ware am Tageslicht sehen wollte, entschuldige mich dann höflich für meine Unwissenheit und gehe weiter. Die beiden, mit ihren Unschuldsmienen, sind schon längst draußen.
Diese Technik ist sehr anstrengend und verlangt starke Nerven. Ich bin die Einzige, die es wagt, mit dem Personal zu sprechen, Maria und meine Mutter weigern sich. Jasna kam schon vor der Entbindung gar nicht infrage, sie hatte andere Aufgaben, wie das Beobachten der Verkäuferinnen, Checken der Kameras und das Ausschneiden der Piepser in der Kabine. Die würde sonst nur Mist bauen. Zu auffällig. Der Bauch und dazu dieses Gesicht, das kann nur schiefgehen! Jasna wartete also abseits und schaute zu.
Wir teilen uns die Beute, der Rest wird verkauft.
Ich muss in einer guten Verfassung sein, um diese Nervenaktion durchzustehen, ich hasse sie. Maria und Mutter bevorzugen sie.
Meine eigene Technik, die ich selbst entwickelt habe, ist mir lieber. Sie eignet sich für Unterwäsche, Schuhe und Taschen ohne Piepser. Ich gehe in den Laden, trage nichts unter meiner Kleidung, an den Füssen krächzen ein paar lumpige Sandalen. Dann suche ich mir einen schönen, teuren Slip, damit es sich auch lohnt, gehe selbstbewusst in die Umkleidekabine, ziehe ihn an und gehe wieder raus. Mit Schuhen spielt es sich gleichermaßen ab. Niemand kann mir beweisen, etwas gestohlen zu haben, denn es hat mich ja niemand bei der Tat beobachtet. Was sollen sie mir vorwerfen? Dass ich einen Slip trage? Den habe ich mir gestern gekauft. Ist das nicht erlaubt? Oder dass ich Schuhe trage? Ach, es gibt so viele Möglichkeiten, zu klauen, nur Mut und Fantasie sind dazu nötig.
Und es gibt Tage, an denen ich sogar mit Slip unterwegs bin. Ha. Wenn ich eine unerfahrene Verkäuferin sehe, die gerade die bunten Plastikschilder mit der Anzahl der Kleidungsstücke verteilt, dann ist es so weit. Dann gehe ich in die Kabine, tausche die Unterhosen aus und komme wieder raus, als wäre nichts. Sie bekommt selbstverständlich die gleiche Anzahl Unterhosen zurück, meine Herren! Nur befindet sich meine alte Caritas-Unterhose darunter. Das sieht das Mädel nie. Es nimmt zufrieden die vielen Unterwäschestücke entgegen, kontrolliert die Anzahl der Bügelchen, der Caritasschlüpfer lauert dazwischen, und ohne etwas bemerkt zu haben, hängt sie alles auf die Stange zu den übrigen. Die Farbe muss identisch sein, das ist das Einzige, worauf sie und ich achten. Die unerfahrenen, gestressten Verkäuferinnen am Wochenende sind mir am liebsten. Ich gehe dann zufrieden nach Hause, mein Pensum für einen dieser unzähligen langweiligen, kalten, destruktiven Tage ist erfüllt. Das einzig Positive: Ich denke an das Gesicht der Frau, die meine Caritas-Bombardoni entdeckt und sich die Hände beinahe abhackt, weil sie sie berührt hat. Das amüsiert mich.
Mit Handtaschen praktiziere ich diese Technik auch. Meine persönlichen Utensilien trage ich in den Taschen meines Mantels oder in der Hose. Wenn ich eine teure, geeignete Tasche gefunden habe, nehme ich sie mit in die Umkleidekabine, entferne das zusammengeknüllte Papier, dann den Metallstreifen (den Maria so gerne für ihre Sammlung hätte und der sich meist in irgendeiner Seitentasche oder unter den Papierfetzen versteckt hält), stopfe sie voll mit meinen persönlichen Sachen und gehe. Tschüss. Das Papier entsorge ich auf der Toilette des Kaufhauses.
Ich kann mich vor Lachen kaum halten, wenn ich meine Mutter sehe, wie sie mit dem vollgestopften Jeansrock aus einem Laden geht.
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