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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Amerika warten, auf euer geliebtes Land der Freiheit, in dem man euch gar nicht haben will! Ein Land, das ihr nicht mal kennt! Aus Amerika kommen die Cornflakes, mehr weißt du nicht.«
    »Dafür kennst du Deutschland wie deine eigene Westentasche, oder was?«
    »Nein, eben nicht, und deshalb tue ich was dafür. Sei doch nicht dumm, Lydia. Und außerdem gibt es in dem Gymnasium in …«
    Ich schaue schnell auf das Blatt, das ich in der Hand halte, um den Namen des Ortes zu lesen, den ich mir niemals werde merken können.
    »… Obesalberg …«
    Das Wort kommt mir überhaupt nicht über die Lippen, ich muss mehrere Anläufe nehmen, um »Obersalzberg« aussprechen zu können.« … die haben auch Englisch als Fach und ich garantiere dir, dass der Unterricht hier in Oberslzbr … mit deinen Englischstunden zu Hause, in Pupshausen oder wo du herkommst …«
    »Banská Bystrica! Eine große Stadt!«
    »… nicht zu vergleichen ist! Lydia, sei doch nicht dämlich! Oder bist du faul? Wenn du nicht faul bist, dann muss es Feigheit sein. Lydia … Ich weiß, dass du manchmal den Arsch nicht hochkriegst, dass du gerne auf ihm sitzt, bis er so breit ist wie unsere Eingangstür, aber dass du auch feige bist, das wusste ich nicht!«
    Sie schweigt.
    »Das ist doch nur peinlich«, sagt sie leise.
    »Feige bist du.«
    »Die werden sich über uns lustig machen.«
    Ich gehe ostentativ weg, tue so, als ob ich den Glauben an sie verloren habe, und hoffe, dass sie mich aufhält. Sie hält mich nicht auf, die dumme Kuh, ich muss gehen, es wäre zu blöd umzukehren. Ich werde tatsächlich allein in diese Schule gehen müssen, mich allein verarschen lassen, und jetzt weiß ich auch nicht mehr, warum mich der Teufel geritten hat, solch eine blöde Idee zu haben. Ich bereue alles, ich bereue, diesen blauen Brief geöffnet zu haben, ich bereue, dass wegen mir meine Großmutter gestorben ist, ich bereue, dass wegen mir auch noch der Hund gestorben ist und mein Großvater sterben wird, und ich bereue, dass ich hier gelandet bin, in der Hoffnung, etwas zu finden, was eigentlich völlig unwesentlich ist …
    »Okay. Ich gehe mit«, sagt Lydia auf einmal. Sie steht in einiger Entfernung, sie muss beinahe rufen, so lange hat sie gebraucht, um diesen Satz auszusprechen.

ZWEI UFOS ON THE ROAD
    Mutter fährt uns zur Bushaltestelle. Sie findet es abenteuerlich, was wir vorhaben, bewundert uns irgendwie, ist aber froh, im Auto bleiben zu dürfen. Eine Schar deutscher Kinder aller Altersstufen steigt in den Schulbus, zuletzt sind wir dran, unsere Pobacken zittern vor Angst, Scham und Aufregung. Zwei fremde, fast erwachsene Frauen, inmitten von pubertierenden Kindern einer anderen Nationalität, puh, das ist eine harte Prüfung.
    »Sicherlich verarschen sie uns.«
    »Das ist erst mal nicht anders zu erwarten.«
    Wir setzen uns im Bus auf die nächstbesten Plätze, wie zwei Hühner auf der Stange. Die anderen setzen sich sofort um, möglichst weit weg von uns, damit sie ja nicht von uns, den Leprakranken, angesteckt werden. Lästern ist jetzt angesagt.
    Wenige Neugierige oder Mutige schnuppern um uns herum wie junge Hunde. Sie sprechen uns sogar an, was fehlschlägt, da wir nichts verstehen.
    Die Fahrt von Berchtesgaden nach Obersalzberg dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Steil bergauf quält sich der Bus, kein Fahrzeug kommt uns entgegen, man könnte denken, dass wir auf dem Mond landen werden.
    Der Schuldirektor begrüßt uns recht höflich. Einige Unterschriften folgen, dann bittet er uns, ihm zu folgen.
    Das Hereinplatzen in die konzentrierte Stille einer Unterrichtsstunde ist unerwartet, unvorbereitet, unpassend. Der Direktor labert, alle schweigen, dann geht er. Mein Körper vibriert vor Aufregung. Im Raum herrscht Ausnahmezustand.
    »Na, prost Mahlzeit, das kann ja lustig werden«, sage ich zu Lydia, als die Schüler der 9. Klasse um uns eine Art Ring bilden. Der Lehrer bittet uns, Platz zu nehmen, wir gehorchen. Die Stunde kann allerdings nicht normal weitergehen, die Ablenkung ist nicht wegzudenken, ständig stehen wir unter Beobachtung, manche kichern, manche schneiden Grimassen.
    »Hab ich vielleicht zu viel Deo benutzt?«, fragt mich Lydia ernsthaft. Ich nähere mich ihr unauffällig mit der Nase. Nichts. Ihr Deo rieche ich, aber von der Intensität her kann es kein Grund sein, uns so zu meiden. Es ist auch kein tschechisches oder, noch schlimmer, slowakisches Produkt, den beißenden Geruch hätte ich sofort erkannt. Es ist nur ein

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