Paraforce Band 8 - Der Schlag eines Herzens
durchwühlte die Unterlagen vor ihm, bis er gefunden hatte, was er suchte. Kurz sah er selbst noch einmal auf das unscharfe Bild, dann schob er es über den Tisch.
» Erkennen Sie sich wieder?«
Ali schüttelte den Kopf.
» Das Bild ist unscharf.«
» Richtig. Aber ...«
Wieder wühlte Brockton in den Zetteln herum. Ali wollte zu gerne wissen, warum er diese Show abzog. Mit Sicherheit wusste Brockton die Reihenfolge der Zettel auswendig.
» Unsere Techniker haben den interessanten Ausschnitt vergrößert. Hier.«
Auch dieses Foto schob er zu ihm herüber. Ali hob es nicht auf. Er senkte nur leicht den Blick und betrachtete das Bild. Er sah es zum ersten Mal. Und er erstarrte. Eindeutig erkannte er sich auf der Aufnahme. Er trug die Uniform der Polizei von New York. In seinen Armen lag ein kleiner Junge. Und er befand sich im freien Fall mit ihm. Schockiert schloss er die Augen. Was war dort geschehen? Er konnte sich nicht richtig erinnern. Wahrscheinlich stimmte alles, was Brockton sagte, aber warum konnte er sich nicht daran erinnern?
» Mr. Nuri, was ist dort geschehen?«
Die sonst so kalte Stimme des FBI-Mannes hatte sich verändert. Ein leichtes Zittern hatte sich hineingeschlichen. Spannung lag zwischen diesen beiden Männern in der Luft.
» Ich weiß es nicht«, flüsterte Ali.
» Dann will ich versuchen, Ihren Gedanken auf die Sprünge zu helfen. Auf die Sprünge ist ein gutes Stichwort. Sie sind mit dem Kind aus dem Fenster gesprungen. Wie viele andere Menschen an diesem Tag. Der einzige Unterschied zwischen Ihnen und diesen Männern ist marginal. Sie sitzen lebend und unversehrt vor mir, während alle anderen beim Aufprall zerschmettert wurden!«
Bei den letzten Worten war Brocktons Stimme immer lauter geworden.
» Und ich will verdammt sein, wenn ich von Ihnen keine Antwort bekomme, wie das möglich ist!«
Ali schüttelte erneut den Kopf. Wie sollte er Antworten geben, wenn er sich nicht erinnern konnte? Einzelne Bildfetzen waren da in seinem Kopf, ja, mehr aber auch nicht. Er erinnerte sich an das weinende Kind. Er wusste, dass er im Nordturm gewesen war. Das war alles. Danach war er erst wieder im Krankenhaus zur Besinnung gekommen. Zwar hatte er eine Theorie, aber die wollte er Brockton nicht anvertrauen. Man würde sie ihm nicht glauben. Fast hätte er aufgelacht. Warum sollte man ihm eigentlich nicht glauben? Immerhin war er aus dem achten Stock gesprungen und lebte. Ein Wunder. Aber eines, dass er erklären konnte. Nicht wissenschaftlich, aber dennoch konnte er es. Er wollte nur nicht. Denn dann wäre er für immer unter Verschluss der Regierung gelandet.
» Nun, Mr. Nuri?«
» Vielleicht ein Wunder?«
» Ein Wunder?«
Brockton lachte freudlos auf.
» Ich glaube nicht mehr an Wunder.«
» Das ist schade.«
» Wissen Sie, was schade ist? Dass Sie nicht mit uns kooperieren wollen.«
Dann kamen die Drohungen. Er kannte das ganze Prozedere zur Genüge. Man bat ihn, man bedrängte ihn, man bot ihm alles Mögliche an. Doch er schwieg. Und was er kaum für möglich gehalten hatte, geschah. Man ließ ihn irgendwann gehen.
Und jetzt saß er in seiner Wohnung auf der Couch und las Mails, die ihm jemand von den Vereinten Nationen schickte. Die Mail von Baptiste endete mit folgenden Sätzen:
Wir wissen, dass Sie die Kunst der Levitation beherrschen. Doch keine Sorge, Ihr Geheimnis ist bei uns in guten Händen. Niemand vom FBI wird je davon erfahren. Ihr Können hat ein Leben gerettet. Vielleicht kann es noch mehr tun. Wir bitten Sie daher, Mr. Nuri, sich mit uns in Kontakt zu setzen.
Hochachtungsvoll
Jacques Baptiste.
Er hatte auf die Mail geantwortet und morgen würde es soweit sein. Sein erster Arbeitstag bei der UNIPAF. Falls er einen Vertrag unterschreiben sollte. Zuerst würde er das Treffen mit Jacques Baptiste abwarten. Er warf einen Blick auf die Uhr auf dem Bildschirm. Vier Uhr früh. Noch fünf Stunden bis zum vereinbarten Termin. Er fuhr das Notebook herunter und sah aus dem Fenster hinab auf die Stadt, die niemals schlief. Ein Punkt, in dem er und der Big Apple sich ziemlich ähnlich waren.
5. Kapitel
Auftritt: Milena Radescu!
Baja Marė, Kreis Maramureș, Rumänien
Milena Radescu steuerte gelassen auf den alten Geländewagen zu. Er stand etwas abseits des Flughafengeländes von Baja Marė und wirkte wie ein Relikt aus alten Tagen, als Nicolae Ceaușescu noch an der Macht gewesen war und militärische Fahrzeuge zuhauf in diesem Lande unterwegs gewesen waren.
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