Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
Vom Netzwerk:
sah doch auch, dass Bellardis zeitloses Gesicht das stärkere war, dass sich sein Wesen nicht geändert hatte. Nur hatte sich in der Zwischenzeit alles festgelegt, blieben immer weniger Fragen offen, man konnte nichts mehr zurückziehen oder anders machen, die Kettenglieder des Schicksals ließen sich nicht mehr bis zu seinem Wesen zurück auflösen.
    Da stand er schlotternd, allein auf der ganzen weiten Welt.
    Mit seinem inneren Auge sah es Madzar als das Schlottern seines eigenen Wesens.
    Ihre Qualen konnten nicht so verschieden beschaffen sein, was aber bei beiden eher Befremden hervorrief. Bellardis glanzvolle Heirat, dachte Madzar, ist nach ein paar Wochen schmählich gescheitert, und ich finde niemanden, mit dem ich mein Schicksal teilen könnte.
    Kein großer Unterschied.
    Während Bellardi auf ihn zukam, sah Madzar Demütigung und Schande durch die ewige Heiterkeit hindurchscheinen, und es kam ihm der Verdacht, dass Bellardi seit langem schon, vielleicht seit der Kindheit, hinter dem äußeren Anschein das Toben der Leidenschaften verdeckt hatte.
    Nichts konnte auf Dauer verborgen bleiben, hingegen gehörte das Auftreten vor der Öffentlichkeit zu seinen Pflichten, und so hatte er sich wahrscheinlich daran gewöhnt, dass man ihn mit einem unterschwelligen Wissen maß und musterte.
    Dass man gewissermaßen stumm fragte, was in Alexandria geschehen war.
    Denn die Nachricht von der unterbrochenen Hochzeitsreise hatte Mohács bald erreicht, und als Madzar heimkehrte, war das gleich die erste Geschichte, die er von seiner Mutter zu hören bekam. Freiherrin Elisa war aus der Suite im Hotel Prince-de-Galles an der Corniche unter Hinterlassen einer einzigen Zeile abgereist. Es musste etwas geschehen sein, wovon die Leute nur in ungefähren Ausdrücken zu sprechen wagten. Man las zwar sorgfältig die Berichte in der Presse, hatte aber keine rechte Freude am dazugehörigen Klatsch, wagte ihn auch nicht mit der üblichen Bösartigkeit einzufärben. Nicht einmal mit der für die höheren Kreise vorbehaltenen Schadenfreude und neidvollen Bewunderung kam man daran heran. Allerdings konnte man sich auch nicht enthalten, peinlich zweideutige Anspielungen zu machen. Der Aufwand bei den Feierlichkeiten zuvor war zu groß, das junge Paar zu schön gewesen, es hatte zu viele Berichte in den Klatschspalten gegeben, zu erschreckend war der jähe Absturz. Offen darüber zu tratschen hätte bedeutet, sämtliche eigenen Illusionen von Schönheit und Eleganz durch den Dreck ziehen zu müssen. Da hätte man auch gleich das Abonnement beim Kurier der Ungarischen Dame oder den Neuen Zeiten kündigen und sich gegenseitig die eigene Bosheit und die eigene tiefgehende Unzufriedenheit eingestehen können. Unklar blieb, wie einige Wochen nach der unterbrochenen afrikanischen Hochzeitsreise die eheliche Gemeinschaft doch wieder zustande kam und wer dann daran schuld war, dass die schwangere junge Frau aus der gemeinsamen Wohnung in Buda auszog. Über diese Ereignisse bewahrten die Klatschblätter Schweigen.
    Kurz, irgendwie war da etwas faul, man musste es einfach betratschen.
    In Mohács klatschten die Frauen nicht über Dinge, die auch in ihrem Leben vorkommen konnten, sondern viel lieber darüber, dass schon die Schwiegermutter des armen Laci, die alte Baronin Koháry, so veranlagt gewesen war, dass sie sich für Männer nicht erwärmen konnte.
    Na ja, man sollte eben schauen, wo man hineinheiratet.
    Da nützt es nicht viel, dass die Frau weiß Gott wie schön ist, wie diese Elisa.
    Es heißt ja auch nicht umsonst, die Tochter schaust an, die Mutter heiratest.
    Man nahm mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis, dass diese Elisa doch noch zur Vernunft kam und mit dem Säugling zu ihrem Gemahl zurückkehrte, und umso größer war die Empörung, als nach drei Jahren die Nachricht Mohács erreichte, sie habe das Kind der Obhut des Zimmermädchens überlassen und mir nichts, dir nichts ihren Mann endgültig verlassen. Einen so schönen, stattlichen Mann.
    Und was für ein guter Junge.
    Madzars Mutter konnte sich gar nicht vorstellen, wie man so gemein sein konnte.
    Solche Frauen gehören ertränkt.
    Als wisse sie genau, wovon sie redet, wolle es aber nicht aussprechen.
    Ertränken wie eine Katze, denn eine solche Frau hat kein Herz.
    Frau Madzars aufgebrachte Worte waren natürlich als strenge Warnung gedacht.
    Überlege dir gut, wen du heiratest, mein einziger Junge.
    Sie sprach es nicht aus, sie hatte Angst vor ihrem gebildeten Sohn, der

Weitere Kostenlose Bücher