Parallelgeschichten
zu wollen.
Aber du siehst doch, da ist nichts mehr drin, erklärte der eine Pater sanft, was für ein angenehm warmer Geruch strömte aus seinem Körper.
Der Pater duftete wie saure Dropse, wenn die Honigfüllung im Mund zerfließt.
Beide trugen dicke weiße Kutten.
Sie versuchten, ihm die lauwarme weiße Tasse aus der Hand zu nehmen, von der er sich ungern trennte. Sie erinnerte ihn an etwas ganz Altes, aus der Distanz acht langer Monate wusste er nicht mehr recht, woran. Die beiden versuchten seine Finger vom Henkel zu schälen und ihn überhaupt zum Aufstehen zu bewegen, aber er legte den größten Wert darauf, sitzen zu bleiben, und stemmte die Sohlen gegen den Fußboden des unbekannten Raums. Darüber mussten die Patres lachen, als fänden sie seine Bockigkeit lustig. Und so musste auch er fast schon über sich lachen. In seinem Interesse durften sie ihm nicht noch mehr gezuckerte Milch geben, er verstand das, sah es ein, auch dass sie von hier weggehen mussten, trotzdem kam ein Wimmern aus ihm. Er wollte nirgendhin gebracht werden. Und schämte sich dafür tödlich.
Er winselte, bat, flehte, nur noch ein klein wenig sollen sie, doch, geben.
Bevor dieser untersetzte kleine englische Offizier irgendwohin verschwand, sprach er französisch mit ihm, er sog und stieß seine roten Lippen unter dem kurzgestutzten rötlichen Schnurrbart mit den Wörtern so delikat ein und aus wie ein wohlgenährter Osterhase, der trotzdem noch nach Essbarem mümmelt.
Auch dieser Hase fiel ihm plötzlich ein, und er wusste nicht, ob er ihn vielleicht nur träumte.
Die holländischen Mönche duzten ihn auf Deutsch, er aber schluchzte und flehte in seiner Muttersprache, als wolle er gar nicht verstanden werden.
Das half ein bisschen.
Er musste etwas verdrängen und hätte es gern auch vor ihnen verheimlicht, aber sie wussten es schon.
Dann aber ließ er einfach zu, dass sie ihn mitnahmen, dass sie mit ihm taten, dass mit ihm geschah, was sie wollten, als hätte er sich in den fremden Körpern aufgelöst, in den vertrauten Gerüchen. Auch darüber lachten die beiden, ihre Adamsäpfel rutschten auf und ab, ihre Doppelkinne und Bäuche zitterten lustvoll. Sie brachten ihn durch einen langen weiß glänzenden Gang, ihre Schritte hallten wider. Über eine endlose Wendeltreppe stiegen sie vom Stockwerk hinunter. Auch das schien in seinem Traum zu geschehen. Zuweilen kam ein hohes Fenster, draußen war der Nebel in der Dämmerung blau verdichtet. In dem Augenblick spürte er sich nicht mehr, auch die Treppenstufen nicht, obwohl er sah, dass seine Füße durch den schwammigen, butterfarbenen Stein gingen, an den Sohlen schleppte er Brocken mit, hinterließ tiefe Einbuchtungen. Das Gehen wurde immer schwieriger. Immer von neuem kam das hohe Fenster, sie stiegen abwärts, aber immer auf derselben Treppenwende, draußen der Nebel, nichts hatte ein Ende. Unerwartet kam er unten an, da führten sie ihn durch den Gang im Erdgeschoss, es war dunkel, obwohl sich direkt unter dem Gewölbe kleine vergitterte Fenster befanden. Es herrschte großer Lärm, und als sie vor ihm die dunkle, eisenbebänderte Tür der gewölbten Badehalle öffneten, wurde er fast blind. Im dichten Dampf, inmitten von Rufen und Geplätscher sah er zwischen den weißen gedrungenen Säulen nur Weiß, weit hinten brannten rötliche Feuer, dunkles Haar, feucht glänzende Flecken von Gesichtern, auf weißen Körpern dunkle, nass wirre Behaarung. In den durch weiße Wände getrennten Kabinen standen unter Gewölbebogen weiße Badewannen, vielfaches Weiß glänzender Kacheln, das Licht weißer Lampenhauben leuchtete durch den Dampf, aus Kupferhähnen floss, aus Duschen ergoss sich das heiße Wasser, in hohen Kupferkesseln flackerte das Feuer, nackte Männer schürten es, kauerten mit gespreiztem Gesäß davor, von irgendwo draußen wurden Scheite gebracht. Man bog sich hin und her, man pfiff, die englischen Soldaten wuschen, seiften sich gegenseitig ein, drängten sich unter dem heißen Wasser mit den holländischen Mönchen, brüllten, rieben sich ab, schleuderten sich aus Holzbottichen eiskaltes Wasser an, einige schmetterten Lieder dazu.
Unterdessen lag der großleibige Deutsche, ihr Kerkermeister, hilflos und gesichtvoran vor ihnen auf dem grünen Rasen.
Es war ein wohliges Gefühl, seine mächtigen Glieder eins ums andere zucken zu sehen, als wolle er aufstehen und könne es nicht.
Vielleicht stand er nicht auf, um nicht zum vierten Mal einen auf den Kopf zu
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