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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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folgen. Ein Spiel auf Zeit. Ein Duell der Blicke.
    »Sie haben dieser Frau das Leben gerettet. Man wird Sie dafür feiern, es wird eine Menge auf Sie zukommen!« Er lächelt. Schnell erwehre ich mich des naiven Gedankens, er könnte es womöglich gut mit mir meinen, mir helfen wollen. So ist der Mensch nicht. Er nicht, und ich auch nicht.
    »Sie können froh über dieses Filmmaterial sein. Sie müssen wissen, der Einbau der Videokamera erfolgte erst vor einem Monat, Herr Dr. Peng. Diese standardisierte Sicherheitsmaßname wurde erst Mitte dieses Jahres für alle unsere Maschinen beschlossen.«
    Na, was für ein Glück! Stoßseufzer. Mein Herz rast wie wild. Noch immer habe ich das dumpfe Gefühl, der Hauptteil dieses Gesprächs kommt noch. Den Schweißfilm auf meiner Haut und mein unruhiges Dauerwippen mit dem Fuß führe ich aber hauptsächlich auf die Entzugserscheinungen zurück. Ein Salzwassertropfen macht sich von meiner Stirn auf den Weg zur Oberlippe. Ich brauche eine Insidon.
    »Herr Peng, ich will offen sein.« Er zeigt auf den dunklen Bildschirm. Unsere Konturen spiegeln sich darin. »Was wir da eben gesehen haben – da – nun, da geht doch nicht alles mit rechten Dingen zu, sehen Sie das auch so?« Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich füge dem nichts hinzu.
    »Nun, wie gesagt, ich will offen mit Ihnen sein. Wir haben Sie überprüft, Herr Dr. Peng. Und ich darf gleich vorausschicken, wir glauben, dass Sie nichts mit den terroristischen Machenschaften zu tun haben. Zunächst waren wir etwas stutzig, als wir herausfanden, dass Sie in Nowosibirsk in einem von Karl Marischkas Werken gearbeitet haben.«
    Schreck durchzuckt mich, meine Augen verengen sich zu Schlitzen. Kenntnis meiner persönlichen Daten … Das gefällt mir gar nicht, war aber klar.
    »Kurzzeitig hielten wir Sie und Herrn Kerschenbaum sogar für mögliche Ziele dieses Anschlags. Wie dem auch sei, Herr Peng, geradeheraus, Sie haben dieser Frau Hilfe geleistet, keine Frage, aber wir glauben auch – und ich berufe mich hier auf eingehende Analysen unter Hinzuziehung von Spezialisten –, also wir glauben, dass Sie versucht haben, sich aus dem Flugzeug zu stürzen.« Kunstpause. Treffer. »… sich aus dem Flugzeug zu stürzen. Aus welchen Gründen auch immer«, fügt er an, damit es endgültiger klingt. Ich lache. Zufälligerweise lacht sonst keiner im Raum.
    Er beugt sich vor. Flüsterton: »Sehen Sie, uns ist egal, weshalb Sie sich so verhalten haben, verstehen Sie?«
    Immer diese Nachfragerei. Oder?, richtig?, nicht wahr?, verstehen Sie? Als müsse er dadurch schwer erkennbare Mikro-Pointen in seinen Sätzen nachträglich kenntlich machen.
    »Es betrifft uns nicht. Wir haben – unter uns – ein ganz anderes Problem.«
    Ach ja? Er geht auf Tuchfühlung, beugt sich noch ein Stück vor, direkt vor mein Gesicht. Macht auf vertrauensselig. Mein Puls schlägt immer härter.
    »Wie Sie bereits gesehen haben, wurde Ihr Foto heute Nacht von irgendjemandem an die Presse gereicht. Zusammen mit Ihrer Rettungsgeschichte. Wir wissen nicht, wer das getan hat.«
    Es macht mir Sorge, dass er mir dieses interne Detail offenbart. Müsste er nicht. Je mehr er preisgibt, desto brenzliger wird die Lage für mich. Ich versuche, sein Gebaren zu lesen. Was zählt, sind die kleinen Dinge. Genau wie es immer die kleinen Dinge sind, die einen sauer machen.
    »Nun, aufgrund von diesem – nennen wir ihn – Trojaner dürfen Sie in der heutigen Ausgabe der ›Trud‹, die in diesem Moment, in dem wir hier sitzen, in ganz Russland ausgeliefert wird, Ihr Bild bestaunen. In die reguläre Morgenausgabe hat es die Meldung des Flugzeugunglücks nicht mehr geschafft, daher druckt der Verlag eine Sonderausgabe, die heute Nachmittag nachgeliefert wird. Das können wir nicht mehr verhindern. Zu spät. Und der Anschlag ist nun mal eine Sensation, und das macht Umsatz, vor allem, wenn man der Erste ist, der davon berichtet!«
    Ich versuche mich an einer zerknautschten Beipflichtung. Die beiden Muskelberge stecken kurz die Köpfe zusammen, einer murmelt etwas, der andere nickt nicht.
    »Das einzige Problem ist dieses Video.« P zeigt auf den schwarzen Bildschirm und betrachtet für einen Augenblick ratsuchend den Boden, bevor er fortfährt: »Und da vor allem Ihre Glanzvorstellung.« Noch ein müder Affront. Ich reagiere nicht.
    »Gewollt oder ungewollt, Ihr Versuch, sich aus dem Flieger zu befördern, gleicht einer Generalstabsaktion«, doziert er und beginnt zu lachen. Es ist nur

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