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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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wohnen.«
    Der Hausmeister schulterte den Besen, nahm den Eimer wieder auf und
schlurfte weiter.
    Danylo war höchst alarmiert. Natürlich hatte er damit gerechnet,
dass die Polizei sich bei Sofia nach ihm erkundigte. Garantiert war er ihr
Hauptverdächtiger im Fall Henning. Aber wie kamen sie an ein Schreiben von Radu
und Ileana? Was hatte das alles zu bedeuten?
    Danlyo überquerte die Lessingstraße und setzte sich fröstelnd auf
eine Holzbank bei der Friedenskirche. Er stellte seine kleine Reisetasche neben
sich auf der Bank ab, nahm sein Handy heraus und schaltete es ein. Sofort
wurden mehrere Anrufe in Abwesenheit gemeldet. Er sah die Absender durch. In
schöner Regelmäßigkeit dieser Daniel Meier-Grüne von der Hamburger Kripo. Dann
noch drei Anrufe von seinem Vater. Widerwillig beschloss er, sie abzuhören.
Danylo konnte es kaum glauben, es waren nicht die bitteren Vorwürfe, die er
erwartet hatte. Maxym erzählte ihm mit atemloser Stimme eine gänzlich verrückte
Geschichte von verschwundenen Suworow-Mädchen. Anscheinend hatte Maxym aus
Moldawien angerufen. Er konnte ihn kaum verstehen, die Verbindung war saumäßig.
Danylo wollte nicht glauben, was er hörte. Sicher ein Missverständnis. Mit
einem flauen Gefühl in der Magengrube rief er Radu und Ileana in Chişinău an. Schon beim ersten Klingeln war Ileana
am Telefon. Sie meldete sich, mit einer seltsamen Mischung aus Hoffnung und
Angst in der Stimme. Danylo redete fast eine halbe Stunde mit ihr. Er
versuchte, ihr Mut zuzusprechen, obwohl er selbst kaum einen Ton herausbrachte.
Plötzlich wurde die Verbindung unterbrochen. Danylo dachte, es läge an der
miesen Leitung nach Moldawien, doch dann stellte er fest, dass der Akku seines
Handys leer war.
    Danylo begann zu weinen. Wer hatte den Suworows so etwas Grausames
angetan? Konnte das Zufall sein? Oder war er etwa auch daran schuld?
    »Junger Mann, brauchen Sie Hilfe?«
    Danylo sah von der Bank hoch zu dem Mann, der mit ihm sprach. Es war
der Pastor der Kirche.
    »Strom«, sagte Danylo. »Ich brauche Strom für mein Handy. Und
vielleicht einen Tee?«
    Auf einen Schlag merkte Danylo, wie hungrig er war. »Hätten Sie auch
etwas zu essen? Verzeihen Sie meine Unverschämtheit, aber ich weiß nicht, wann
ich das letzte Mal gegessen habe.«
    Der Pastor nickte: »Dann kommen Sie mal mit. Ich habe noch Suppe von
gestern Mittag. Und Steckdosen gibt es auch.«
    Danylo nahm seine Tasche und folgte dem Pastor ins Pfarrhaus. Sie
gingen in eine karg eingerichtete Küche, wo der Pastor eine große Portion
Erbsensuppe erwärmte. Während die Suppe auf dem Herd köchelte, stellte er
Danylo frischen Pfefferminztee hin. Er ließ seinen Gast in Ruhe trinken und
auch essen. Erst, als Danylo sich dankend den Mund abwischte, sagte er: »Sie
haben da draußen auf der Bank sehr unglücklich ausgesehen.«
    »Einer guten Freundin von mir ist etwas sehr Schlimmes passiert.
Nicht nur ihr, sondern ihrer ganzen Familie.«
    »Dann hoffe ich, dass sich bald alles wieder zum Guten wendet. Ich
werde für Ihre Freundin und deren Familie beten.«
    »Als ob das was nützt!«
    »Sie dürfen den Glauben nicht verlieren, mein Sohn.«
    Danylo wies mit dem Zeigefinger nach oben: »Dann soll ER gefälligst
was dafür tun!«
    »Gott dealt nicht mit uns. Er ist kein Geschäftemacher.«
    »Dann wäre er auch schon längst pleite, bei dem, was er anzubieten
hat!«
    Der Pastor lächelte milde: »Gottes Wege sind unergründlich.«
    »Ich wusste, dass Sie das sagen. Der Spruch ist so ’ne Generalvollmacht
für allen möglichen Scheiß. Und wenn’s einen besonders hart trifft, dann ist es
’ne Prüfung.«
    »Was hat Sie in jungen Jahren so verbittert?«
    »Dass einem als Kind der Himmel versprochen wird und man dann in der
Hölle landet«, sagte Danylo leise.
    »Es gibt immer einen Ausweg. Einen Weg zurück ans Licht.«
    »Vielleicht. Wenn man die Machete in die Hand nimmt und sich durchs
Dickicht schlägt. Wenn man die Teufel und Dämonen vernichtet.«
    Der Pastor sah ihn lange an. »Die Rache ist mein, spricht der Herr.
Sie sollten das akzeptieren und nichts Unüberlegtes tun.«
    »In der Bibel steht aber auch ›Auge um Auge‹.«
    Der Pastor lächelte wieder. »Ich wusste, dass Sie das sagen. Dieses
Zitat scheint für viele auch so eine Art Generalvollmacht zu sein.«
    Danylo lächelte zurück. Er fand den Pastor recht sympathisch.
    Der Pastor sah auf die Küchenuhr. »Ich muss jetzt eine Totenmesse
für ein verstorbenes Mitglied der Gemeinde

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