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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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einem
Piepen abgeschlossen, schwere Schritte und lautes Fluchen verfolgten sie.
    Sofia bekam Seitenstechen. Sie war so geschwächt, dass sie keine
Chance hatte. Tränen liefen ihr die Wangen herunter, während sie hoffnungslos
weiterstolperte, doch sie spürte sie nicht. Sie hörte nur das stoßweise Atmen
der Männer hinter ihr, die immer näher kamen, und wusste, dass sie verloren
hatte. Ein Tritt ins Kreuz zwang sie zur Aufgabe. Sie flog in hohem Bogen nach
vorne, landete mit dem Gesicht im Dreck, spürte, wie sie sich Hände und Wangen
an kleinen Steinchen aufschürfte. Sie wollte einfach liegen bleiben, nie wieder
aufstehen, das Gesicht in die Erde vergraben, bis sie erstickte. Doch einer der
beiden Männer zog ihren Kopf an den Haaren zurück, riss sie hoch, bis sie
halbwegs wieder auf den Füßen stand.
    »Du verdammte Fotze, wenn du das noch mal machst, breche ich dir
alle Knochen!«, herrschte der Kleiderschrank sie an. Dabei sprühten seine
Spuckefäden in Sofias Gesicht, doch sie konnte den Kopf nicht abwenden, da er
sie immer noch an den Haaren festhielt. Daran zog er sie auch zurück zum Wagen
und stieß sie auf den Rücksitz.
    Den Rest der Fahrt zitterte Sofia unkontrolliert. Sie konnte nicht
mehr aufhören zu zittern, so sehr sie sich auch bemühte. Die Serbin schob ihre
Hand in Sofias und drückte sie fest. Das half ein bisschen.
    Irgendwann verließen sie die Autobahn und bewegten sich nur noch auf
Landstraßen. Sofia versuchte, sich zu konzentrieren. Sie kannte Frankfurt ein
wenig, hatte schon mehrere Konzerte hier gespielt und wollte sich den Weg
merken, wollte wissen, wohin sie gebracht wurden. Doch sie fuhren gar nicht bis
Frankfurt, sondern nur bis Offenbach. Und wieder ging es, wie in Weißrussland,
wie in Bosnien-Herzegowina, wie in Polen, auf einen schlecht asphaltierten Hof
hinter einer Bar. Das neue Gefängnis, das auf sie wartete, war ein
zweistöckiges Gebäude mit schmutzig-grauem Putz. Eine ungeschminkte, freundlich
aussehende Frau um die fünfzig empfing sie. Sie stellte sich als Evelyn vor und
zeigte ihnen ihr Zimmer. In dem Zimmer standen ein Tisch und fünf Betten. Auf
drei der Betten lagen Klamotten und Schminkzeug herum. Sofia und die Serbin
sollten die beiden freien Betten übernehmen. Kaum hatten sie den Raum betreten,
wurde hinter ihnen abgeschlossen. Sofia hörte noch, wie Evelyn Sidi und seinen
Kollegen fragte, ob alles glattgelaufen sei. Der Kleiderschrank bejahte das,
warnte Evelyn aber vor Sofia, die einen aufsässigen Charakter habe. Damit
entfernten sich die Stimmen.
    Sofia rüttelte an der Tür. Keine Chance. Sie sah nach dem Fenster.
Es war vernagelt. Von dem Raum aus führte eine zweite Tür zum Toilettenraum mit
einer Dusche. Hier gab es kein Fenster. Sofia wusch sich die Erde aus dem
Gesicht und den Haaren und säuberte ihre Schürfwunden. Dann ging sie ins Zimmer
zurück. Die Serbin lag auf einem der freien Betten und starrte an die Decke.
Sofia setzte sich auf das andere Bett. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Aber sie wusste, dass man sie nicht ewig hier einsperren würde. So konnte man
kein Geld mit ihr verdienen. Irgendwann würde sie in einem Club arbeiten. Und
in jedem Club gab es Wege nach draußen. Oder man würde sie mit einem Kunden
allein lassen. In einem Zimmer mit Fenster vielleicht. Sie musste nur ruhig
bleiben, zu Kräften kommen, einen klaren Kopf behalten und auf ihre Chance
warten.
    Sofia hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht und sich damit an eine
vage Hoffnung geklammert, als die Tür wieder geöffnet wurde und Evelyn mit
einem Tablett hereinkam. Hinter ihr betrat ein Mann das Zimmer, etwa Ende
dreißig und ähnlich gebaut wie der Kleiderschrank. Auf dem Tablett waren zwei
Teller mit dampfender Suppe. Daneben lagen zwei aufgezogene Einwegspritzen und
ein Plastikschlauch. Sofia merkte plötzlich, wie hungrig sie war. Die Spritzen
jedoch versetzten sie in Panik. Auch die Serbin setzte sich auf und sah gierig
nach den Tellern.
    Evelyn wandte sich an ihren Begleiter: »Übersetz mal, Boris. Die
eine kann wohl Russisch, die andere Serbisch.« Boris nickte und übersetzte
fließend in zwei Sprachen: »Mädels, es ist zwar schon spät, aber ihr müsst was
essen. Schätze, Sidi und Kalle haben euch auf der Fahrt hungern lassen, diese
elenden Schweine. Ich behandele meine Mädels gut, damit ihr das wisst. Es sei
denn, ihr macht Zicken. Aber das wollt ihr sicher nicht. Also esst erst mal.«
Evelyn klang wie eine nette Herbergsmutter, die nur das

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