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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Beste für ihre Zöglinge
wollte.
    Sofia und die Serbin aßen mit Heißhunger. Evelyn sah ihnen dabei zu.
Ihr Begleiter lehnte an der Wand und knabberte gelangweilt an seinen
Fingernägeln.
    »Hört zu, Mädels«, begann Evelyn, als sie die Teller wieder einsammelte.
Boris übersetzte synchron. Er würde auch bei der EU arbeiten können, dachte
Sofia. Irgendwie tat er das ja auch.
    »Ihr schlaft euch jetzt aus, morgen reden wir ein bisschen und dann
zeige ich euch alles. Ich weiß, dass ihr erst mal enttäuscht seid, weil ihr
euch etwas anderes vorgestellt habt, aber für die Erfüllung eurer Träume müsst
ihr arbeiten. Wie das abläuft, erfahrt ihr morgen. So, und damit ihr nach den
ganzen Reisestrapazen gut schlafen könnt, wird Boris euch etwas geben, was euch
hilft.«
    Boris sprach beim Übersetzen tatsächlich von sich in der dritten
Person. Dann griff er zu der ersten Spritze. Die Serbin stand auf und ging mit
zwei großen Schritten zu Boris hin. Sie zog den Ärmel ihres Pullovers hoch.
Sofia sah die Einstichwunden und begriff, dass die Serbin nicht gierig nach der
Suppe geschielt hatte. Boris grinste sie an und gab ihr die Spritze und den
Schlauch. Die Serbin band sich mit dem Schlauch den Arm ab und setzte sich die
Spritze. Kaum war der Stoff in ihrer Blutbahn, seufzte sie wohlig und ließ sich
auf ihr Bett sinken.
    Fast hätte Sofia sich verraten, doch in letzter Sekunde schaltete
sie und fragte auf Russisch, was man ihnen verabreiche.
    »Roofies«, sagte Boris. »Was zum Schlafen. Ganz harmlos.«
    Sofia erklärte Boris möglichst ruhig, dass sie einen sehr guten
Schlaf habe und keine Hilfsmittel brauche. Doch weder Boris noch Evelyn ließen
sich überzeugen. Als Sofia sich dennoch weigerte, die Drogen zu nehmen, wurde
Gewalt angewendet. Boris hielt sie fest, Evelyn band ihr den Arm ab und setzte
die Spritze.
    Danach verließen Evelyn und Boris das Zimmer. Der Schlüssel wurde im
Schloss gedreht. Es herrschte Stille im Raum. Sofia hörte nur den flachen Atem
der Serbin und etwas leise Musik, die aus dem Club im Vorderhaus durch die Ritzen
der vernagelten Fensterbretter drang. Sofia begann zu weinen. In Chişinău hatte man sie schon unter Drogen gesetzt,
in Brcko ebenso. Sie wollte, sie durfte nicht in diese Falle geraten. Doch ihr
Körper hörte zu weinen auf und schwebte nach oben in eine Welt voller
klingender Farben und bunter Töne. Sofia fühlte sich ruhig und leicht. Nichts
tat mehr weh. Sie ließ sich steigen und steigen. Keine Gegenwehr mehr.

 
    21. April 2010
Hamburg.
    Walter Ramsauer wusste nicht so recht, ob das Treffen gut
oder schlecht verlaufen war. Sein Gegenüber hatte nervös gewirkt, sodass
Ramsauer sicher sein konnte, einen Volltreffer gelandet zu haben. Aber es war
ihm nicht gelungen, den Kerl zusätzlich unter Druck zu setzen und ihm
weitergehende Informationen zu entlocken. Das hinterließ ein Gefühl der Unzufriedenheit.
Er hatte auf ein Einknicken seines Gesprächspartners gehofft, hatte erwartet,
dass er flehen würde, seinen Namen aus der Presse herauszuhalten, sein Leben
nicht zu zerstören, Rücksicht auf seine ahnungslose Frau und unschuldigen
Kinder zu nehmen und was die Typen immer so an Mitleidsnummern hervorholten,
wenn man sie am Genick packte und kräftig durchschüttelte. Sogar bei dem
Verweis auf Henning Petersens Material und den mutmaßlichen Zusammenhang mit
dessen Ermordung hatte der Kerl gemauert. Dann hatte er das Gespräch betont
empört abgebrochen und war einfach gegangen. Das machte Walter misstrauisch.
Sein Gegner schien noch einen Trumpf im Ärmel zu haben, und Walter vermutete,
dass es sich bei diesem Trumpf um eine ähnliche Art der Problementsorgung
handelte wie bei Henning. Nur dass diesmal er das Problem war. Er hatte zwar
vom spektakulären Tod des mutmaßlichen Mörders in der Zeitung gelesen, gab sich
allerdings keinen Illusionen hin. Wo auch immer dieser russische Killer
hergekommen war, es gab reichlich Nachschub in der Branche. Der Auftraggeber
würde nicht zögern, auch ihn beseitigen zu lassen, und wenn nur, um an das
Beweismaterial heranzukommen.
    Sein Gesprächspartner hatte das Material sehen wollen. Angeblich um
zu erfahren, wer ihn so unverschämt verleumdete. Walter hatte ihn ausgelacht
und ihm erklärt, dass er bestimmt nicht noch blöder als sein Volontär wäre.
Natürlich trug er das Material nicht bei sich, sondern hatte es an einem
sicheren Ort verwahrt. Im Falle seines plötzlichen Todes würde es der Polizei
zugestellt werden.

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