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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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hatte sich verändert.
Von dem fröhlichen Typen, der einem mit seiner überbordenden Lebenslust und dem
Wunsch, die ganze Welt zu umarmen, echt auf den Wecker gehen konnte, war nichts
mehr übrig. Vor Vadim saß eine gebrochene Seele, die in einem Meer aus
Düsternis und Alkohol zu ertrinken drohte. Vielleicht war es wirklich besser,
wenn er ohne Danylo ins ›Babalu‹ ging. Danylo hatte recht, dort brauchte er ihn
nicht. Im ›Babalu‹ gab es einen russischen Türsteher, mit dem Vadim sich
verständigen konnte.
    »Okay, ich gehe allein. Ich hole dich später hier ab. Trink zwischendurch
mal einen Kaffee.«
    »Leck mich am Arsch.«
    Als Vadim das ›Ocean‹ verließ, begann Danylo zu spielen. Er spielte
die Mondscheinsonate von Beethoven, wie Vadim inzwischen
wusste. Danylo spielte sie andauernd. Aber immer nur den ersten Satz.
    Als Vadim etwa zwei Stunden später frustriert zurückkam,
war die Bar fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Nur von Danylo keine Spur.
Stattdessen kam Marten wild gestikulierend auf ihn zu, sagte ein paar hektische
Sätze auf Norwegisch und schubste Vadim Richtung Hinterausgang. Vadim schwante
Übles. Er stürmte an den Toiletten vorbei, die Hintertür zum Hof hinaus. Dort
beschäftigten sich zwei Glatzen damit, Danylo nach allen Regeln der Kunst
zusammenzuschlagen. Danylo wehrte sich nicht einmal. Er lag seitlich auf dem
Boden zusammengekauert und steckte Tritte ein. Er stöhnte bei jedem Tritt kurz
auf und kicherte dann wie ein Wahnsinniger vor sich hin, obwohl ihm das Blut
schon aus Mund und Nase lief.
    Vadim zögerte keine Sekunde, zog seine Waffe, hielt sie einer Glatze
an die Stirn und rief »Stop!«. Das war auch für Norweger verständlich. Die
beiden Schläger hielten inne, hoben beschwichtigend die Hände und sprachen auf
ihn ein. Er gab ihnen einen deutlichen Wink, sich zu verpissen. Sie gehorchten
und zogen sich wieder in die Bar zurück. Eine Sekunde später kam Marten heraus
und blickte entsetzt auf den am Boden liegenden Danylo. Aus seinem Wortschwall
konnte Vadim nur das Wort ›Polis‹ verstehen. Das genügte ihm. Er nickte Marten
kurz zu, packte Danylo unter den Armen und schleppte ihn mit ruppigem Griff
über den Hof in die hintere Seitenstraße. An der nächsten Ecke hatte er das
Glück, sofort ein freies Taxi zu bekommen. Als sie abfuhren, kam gerade eine
Streifenwagen vorm ›Ocean‹ an.
    Zurück im Hotel verarztete Vadim seinen Freund mit wenig Rücksicht.
Danylo wimmerte ein wenig, beschwerte sich aber nicht. In den vollen Genuss der
Schmerzen würde er erst morgen kommen, das wusste Vadim aus Erfahrung.
    »Was ist passiert?«, fragte er Danylo. Im Taxi hatte Danylo nur
unverständlich vor sich hin gebrabbelt.
    »Die Ärsche haben sich beschwert, als ich zum siebten Mal den ersten
Satz der Mondscheinsonate gespielt habe. Marten
wollte auch, dass ich was anderes spiele. Banausen! Unkultiviertes Wikinger-Gesocks!
Da habe ich ihnen gesagt, dass Amundsen ein feiges Muttersöhnchen war und Knut
Hamsun ein perverser Hühnerficker. Wetten, die Glatzen wissen nicht mal, wer
Knut Hamsun war?«
    »Hast dich mal wieder richtig beliebt gemacht, was?« Wider Willen musste
Vadim grinsen. Auch er hatte keine Ahnung, wer Knut Hamsun war. Vermutlich kein perverser Hühnerficker. »Reißt du deine Fresse
eigentlich zwanghaft so auf, oder wirst du gerne verprügelt?«
    Danylo, der Vadims Grinsen zuerst erwidert hatte, wurde schlagartig
ernst. »Ich ertrage das alles nicht mehr. Ich bin schwer wie Blei innendrin und
taub vor Kummer. Ich wollte etwas spüren. Schmerz.«
    Vadim verzog angewidert die Miene. Pathos konnte er nicht ab.
»Blödsinn! Du hast Schuldgefühle. Wenn dir einer die Visage poliert, geht’s dir
besser. Typisches Loser-Benehmen. Kenne ich selber vom Schulhof.«
    »Kann sein«, murmelte Danylo. Sein Gesicht schwoll von Minute zu
Minute mehr an. »Ist aber egal. Ist doch alles egal.«
    Kaum war Danylo auf seinem Bett eingeschlafen, klingelte Vadims
Handy. Es war Oleg, der ihn aus Chişinău
anrief. Vadim hörte aufgeregt zu, stellte einige Zwischenfragen. Dann legte er
auf und rüttelte Danylo wach.
    »Danylo, wach auf, du Penner! Wir haben Sofia!«
    Nur langsam und unwillig kam Danylo zu sich. Bei Sofias Namen riss
er jedoch die Augen auf. »Was ist los? Spinnst du?«
    »Oleg hat gerade angerufen. Er weiß, wo sie Sofia hingebracht
haben!«
    Danylo rieb sich die Augen. »Sofia? Der Idiot weiß doch noch nicht
mal, wo Alina ist. Oslo! Von wegen! Wenn sie hier

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