Parasiten
ging in ein Restaurant zum Essen.
Auch Thamm und Christian hatten seit dem Frühstück nichts zu sich genommen.
Aber es gab Wichtigeres zu tun.
Auf dem Weg nach Haßmoor bekam Christian einen überraschenden Anruf
von Danylo. Nach dem Telefonat sagte er zu Thamm: »Alinas Cousin und ein Freund
der Familie sind im Auftrag der Eltern unterwegs hierher. Sie waren in
Frankfurt und treffen in ein paar Stunden ein. Über Nacht bleiben sie in
Hamburg und kommen dann morgen früh hierher.«
»So weit, so gut«, fand Thamm. »Aber wer von beiden hat dir in
Berlin eine Knarre an den Kopf gehalten?« Thamm hatte aufmerksam zugehört. »Und
warum? Was sind das für Typen?«
»Der eine ist kriminell und der andere Künstler.«
»Oweia. Will ich die in meiner Stadt?«
»Ich wüsste zu gerne, was die beiden die ganze Zeit treiben. Und
wieso Frankfurt?« Christian reagierte nicht auf Thamms Frage. Er sprach zu sich
selbst. Thamm unterließ es nachzuhaken. Auch seine Neugier auf die Hintergründe
dieses Falls war von Christian kaum gestillt worden. Christian war vielen
Fragen einfach ausgewichen.
Nach etwa zwanzig Minuten Fahrt erreichten sie das Haus von Heiko
Bender. Bevor sie losgefahren waren, hatte Thamm als angeblicher Geschäftskunde
in Benders Firma in Kiel angerufen und erfahren, dass Bender krank zu Hause
lag.
Bender öffnete nach dem zweiten Klingeln und sah tatsächlich etwas
bleich aus. Das schien aber mehr an seiner Angst zu liegen als an irgendeiner
Krankheit. Ganz offensichtlich hatte er sie erwartet.
»Kommen Sie wegen meiner polnischen Putzfrau? Sie ist heute Nacht
verschwunden, einfach so. Ich kann mir das gar nicht erklären …«
Thamm ließ sich auf Benders Gerede gar nicht erst ein. Er zeigte ihm
den Durchsuchungsbeschluss. »Sie sind vorläufig festgenommen, wegen des
Verdachts auf Freiheitsberaubung und Vergewaltigung.«
»Ich sage kein Wort mehr. Ich will meinen Anwalt anrufen.«
»Das dürfen Sie. Später.« Thamm gab seinem Kollegen Lemke ein
Zeichen, während der Hausdurchsuchung auf Bender zu achten. Dann machte er sich
mit Christian auf den Weg ins Souterrain. Es sah alles so aus wie von Alina
beschrieben: ein Pool, eine Tür nach draußen zum Garten, Fenster, durch die man
den Teich und den Pavillon sehen konnte. In dem kleinen Raum, in dem die Pool-
und die Heizungsanlage untergebracht war, fanden sie jedoch keinerlei Anzeichen
für den längeren Aufenthalt eines Menschen. Alles war penibel geputzt, nicht
ein Fitzelchen Staub lag in den Ecken herum.
»Jetzt wissen wir ja, was Bender den ganzen Tag gemacht hat«, sagte
Christian. »Schrubben.«
Thamm nickte: »Der ist gründlicher als seine angebliche polnische
Putzfrau. Mal sehen, ob die Spusi da noch irgendein Haar oder Hautschüppchen
findet.«
»Und wenn. Das wird nichts nützen. Hat seine polnische Putzfrau beim
Putzen verloren.«
»Dann wollen wir ihn mal danach fragen.«
Die beiden gingen wieder nach oben. Thamms Kollegen nahmen jedes
Zimmer gründlich unter die Lupe. Sie zeigten Christian und Thamm ein
Gästezimmer, in dem ein Bett stand und weibliche Utensilien herumlagen wie etwa
eine Hautcreme.
»Ich nehme an, das ist das Zimmer Ihrer polnischen Putzfrau?«,
wandte sich Thamm an Bender.
»Keine Aussage ohne meinen Anwalt.«
Lemke griff auf den Nachttisch und reichte Thamm einen Personalausweis
mit Alinas Bild darin. Laut Ausweis war sie eine einundzwanzigjährige Polin aus
Krakau namens Joanna Pieckowna.
Thamm gab Christian die Papiere. Die beiden wechselten einen Blick.
Der Ausweis war eine verdammt gute Fälschung. Profi-Arbeit. Bender
dranzukriegen würde vermutlich nicht ganz so einfach werden wie erhofft.
Sie waren gerade auf dem Rückweg zum Revier, als Christian einen
Anruf vom Hamburger Oberstaatsanwalt Wieckenberg bekam. »Wo sind Sie, Beyer?«
»Eine kleine Landpartie, Herr Wieckenberg. Was kann ich für Sie
tun?«
Wieckenberg klang sauer: »Ich will Sie sprechen, sofort!«
»Das wird kaum möglich sein. Ich melde mich morgen früh bei Ihnen.
Schönen Feierabend!« Christian legte einfach auf. Er wusste, wie dumm es war,
Wieckenberg immer wieder auf die Palme zu bringen, aber es bereitete ihm Spaß.
Er durfte den Bogen nur nicht überspannen. Wieckenberg war seit einem halben
Jahr in Hamburg und eckte mit seiner Münchner Schicki-Micki-Attitüde überall
an. Besonders bei Christian.
»Ich wäre gerne bei der Vernehmung dabei, aber wenn ich meine
Freundin nicht langsam aus dem Restaurant abhole, brennt sie
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