Parasiten
können. Lemke
wählte die Nummer der Suworows in Moldawien und stellte auf Lautsprecher. Anna
hatte ihn darum gebeten. Auch wenn sie die Worte nicht verstehen würde, die
Freude würde sie fühlen. Sie bat Leonid, den Eltern zu erklären, dass er im
Auftrag der Freundin des Polizisten Christian Beyer anrief, der mit Maxym in
Chişinău gewesen war.
Radu war sofort am Apparat. Als Leonid ihm sagte, dass Alina in
Deutschland in der Nähe Hamburgs gefunden worden war und im Krankenhaus wäre,
stockte Radu der Atem, dann rief er nach Ileana. Ein Stimmengewirr brach los.
»Was sagen sie?«, fragte Lemke aufgeregt. Da auch er einen kleinen
Anteil zur Übermittlung der frohen Botschaft geleistet hatte, war er emotional
involviert.
»Keine Ahnung, ich bin Russe, kein Moldauer und kein Rumäne.« Fast
klang Leonid etwas beleidigt. Dann hörte er Radu zu, der wieder ins Telefon
sprach. »Sie wollen wissen, wie es ihrer Tochter geht und warum sie im
Krankenhaus ist.«
»Nichts Schlimmes. Erschöpfung und eine leichte Rippenfellentzündung.«
Anna hatte beschlossen, die Eltern zu schonen. Den Rest sollten sie von Alina
erfahren, falls die darüber sprechen wollte. Das war Alinas Entscheidung.
Leonid übersetzte. Dann wandte er sich wieder an Anna: »Sie sagen,
sie brauchen ein, zwei Tage, um das Geld für die Flugtickets und die Visa zu
besorgen. Dann kommen sie.«
Anna wehrte ab: »Vermutlich ist das gar nicht nötig. Sagen Sie
bitte, dass Alina eine Spritze bekommen hat und nun lange schläft. Sobald sie
wach ist, wird sie selbst anrufen. Möglicherweise kann sie in ein paar Tagen
schon wieder nach Hause.«
Anna hörte, wie Ileana im Hintergrund vor Freude weinte. Radus
Stimme war brüchig. Er wollte die Nummer des Krankenhauses, damit er mit dem
behandelnden Arzt sprechen konnte. Er würde eine von Alinas Freundinnen holen,
die ihm mit ihren Englischkenntnissen behilflich sein würde. Ansonsten wollte
er auf Annas Rat hören und warten, bis Alina sich meldete. Dann konnten Ileana
und er immer noch über die Reise entscheiden. Zum Abschluss des Gesprächs ließ
er Christian grüßen und bedankte sich unbekannterweise bei Leonid fürs
Übersetzen und bei Anna für den Anruf.
Im Rendsburger Revier zeigten sowohl die Beamten als auch Tankwart
und Dolmetscher Leonid mehr oder weniger ihre Bewegtheit. Lemke drückte aus,
was er und seine Kollegen empfanden: »Als Polizisten sind wir viel zu selten in
der Situation, gute Nachrichten zu überbringen.«
Anna wusste das von Christians Alltag nur zu gut. Sie musste an
Sofia denken.
ICE – irgendwo zwischen Frankfurt und Hamburg
Vadim saß mit Danylo vor einer dünnen, kalten Lauchcremesuppe
im Speisewagen. Der Zug war überfüllt, die Menschen hockten sogar in den Fluren
auf dem Boden. Vadim war froh, noch einen Platz im Speisewagen ergattert zu
haben. Er war geradezu in Hochstimmung. Vor knapp zweieinhalb Stunden war er
von Radu telefonisch über Alinas Auftauchen in Norddeutschland informiert
worden. Zwar fand er Radus Nachricht von der Freundin des Bullen, der in
Moldawien gewesen war, reichlich wirr, aber das war egal. Alles war egal, Hauptsache,
Alina lebte. Er war sofort losgestiefelt, um Danylo zu suchen. Wie immer hatte
der sein Handy abgeschaltet. Vadim hatte ihn in der Nähe ihres Hotels am
Main-Ufer gefunden, wo Danylo stumm und düster auf das schmutzig-braune Wasser
starrte. In seinen Händen hielt er die Waffe aus Paris. Danylos Miene hatte
sich kaum erhellt, als Vadim ihm die Neuigkeit über Alina brachte. Seit sie
erfahren hatten, dass Sofia vermutlich tot war, brachte Danylo kaum ein Wort
heraus. Vadim hatte ihm die Waffe aus den Händen genommen und in Danylos
Jackeninnentasche gesteckt. Sie hatten ihre Habseligkeiten zusammengepackt, das
Hotel bezahlt, waren zum Bahnhof gefahren und hatten den ersten ICE nach
Hamburg bestiegen.
Vadim schob die Suppe von sich und blickte zum Fenster hinaus. Es
regnete schon wieder. Er fand den deutschen Sommer beschissen. In Moldawien
schien die Sonne, und es war heiß. An einem solchen Augusttag würde er zu Hause
in Moldawien zum Schwimmen gehen. Vielleicht mit Alina und ihren Freundinnen.
»Ich wollte diese Puffmutter erschießen«, sagte Danylo plötzlich. Er
hatte seit über einer Stunde kein Wort gesprochen. »Letzte Nacht habe ich bis
morgens um halb sechs vor dem ›Justine‹ gewartet, bis sie rauskam. Dann habe
ich die Pistole gezogen und auf sie angelegt, so wie du es mir gezeigt hast.«
Vadim hoffte,
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