Parasiten
Regen,
der Schlamm, die erste Strecke in Stöckelschuhen … Alina meinte, sie wäre nur
extrem langsam vorwärtsgekommen.«
Kurze Zeit später hatten Thamms Leute eine Liste mit den
Personendaten von siebzehn Heikos allein in Rendsburg und noch einmal
einundzwanzig aus der Umgebung zusammengestellt. Dreißig fielen gleich aus dem
Raster, nur acht davon waren annähernd in dem Alter, das Alina angegeben hatte.
Davon hatten fünf Familie, nur drei waren alleinstehend.
»Die drei werden wir jetzt mal besuchen«, sagte Thamm entschieden.
»Vielleicht ist das nicht nötig«, warf Christian ein. Er tigerte
seit einer halben Stunde untätig durchs Revier und trank Unmengen von Kaffee,
um die Wartezeit zu verkürzen. »Kann ich mal an einen Computer?«
Thamm räumte irritiert seinen Schreibtisch.
Christian setzte sich: »Die Adressen von den drei Typen bitte.«
Thamm legte sie ihm vor. Christian rief Google Maps auf und gab die
erste Adresse ein. Dann stellte er von Karte auf Satellitenfotos um und zoomte
an die Adresse. »Was hat Alina gesagt? Ein freistehendes Haus mit
Südgrundstück, in dem ein Teich und ein sechseckiger Pavillon sind. Dieser
Heiko hier wohnt in einem Reihenhaus.«
Christian gab die nächste Adresse ein. »Fällt auch flach. Ein
Gebäude mit zig Wohnungen.«
Bei der dritten Adresse pfiff er durch die Zähne. »Bingo.«
Thamm und Anna beugten sich über den Computer. Auf dem Bildschirm
war die Luftaufnahme eines großen, allein stehenden Hauses zu sehen. Auf dem
Südgrundstück konnte man verschwommen einen Teich erkennen und ein weißes
kleines Dach – der Pavillon.
Christian sah auf den Zettel: »Heiko Bender, siebenundfünfzig Jahre
alt, geboren in Kiel, wohnhaft in Haßmoor.«
»Haßmoor. Ich weiß nicht«, sagte Thamm. »Sie wurde zehn Kilometer
westlich von Rendsburg an einem kleinen See gefunden. Der liegt allerdings sehr
nah bei Haßmoor. Und sie war Stunden unterwegs.«
»Vollkommen entkräftet und auf Droge«, warf Anna ein.
»Kann sein, dass sie deswegen im Kreis gelaufen ist«, stimmte Thamm
zu. »Luftlinie sind es nämlich nur knapp zwei Kilometer vom Haus bis zu dem
Tümpel.« Er wandte sich an einen seiner Kollegen. »Besorg ein Foto von diesem
Bender. Vielleicht kann Frau Suworow ihn identifizieren.«
»Die schläft noch bis an die zehn Stunden. Und der Typ hat heute
Morgen sicher schon in aller Frühe gemerkt, dass sein unfreiwilliger Gast
ausgeflogen ist. Was ist, wenn er sich absetzt? Mir reicht das Satellitenbild
vom Grundstück«, sagte Christian.
»Ich habe keine offizielle Aussage als Handhabe«, gab Thamm zu
bedenken.
Christian sah Anna an.
»Ich, Frau Doktor Anna Maybach, wohnhaft in Hamburg, behandelnde
Psychologin von Frau Anna Suworow, gebe hiermit offiziell zu Protokoll, dass
Anna Suworow laut ihrer Aussage mir gegenüber von einem Heiko zwischen fünfzig
und sechzig in einem Haus mit Südgrundstück, Teich und Pavillon seit Monaten
gefangen gehalten und vergewaltigt worden ist.«
»Und schon haben wir Flucht- und Verdunkelungsgefahr«, sagte
Christian.
Thamm grinste: »Na, wenn das mal nicht reicht, um vom Hof zu reiten!
In etwa einer Stunde habe ich einen Durchsuchungsbeschluss. In welcher
Eigenschaft willst du mitkommen, Christian?«
»Wenn es recht ist, bin ich nur ein kollegialer Besuch, der zufällig
in der Gegend ist.«
»Dann los. Und unterwegs erzählst du mir die Vorgeschichte.«
»Was ist mit diesem russischen Tankwart? Du wolltest doch in
Moldawien anrufen.« Anna ließ nicht locker. Der Gedanke, dass Alinas Eltern vor
Sorge um ihre Töchter vergingen, ließ ihr keine Ruhe. Wenigstens eine war
gerettet, das sollten sie so schnell wie möglich erfahren.
»Kümmere du dich bitte darum.« Christian gab ihr die Nummer. »Und
grüß ganz herzlich von mir.«
Thamms Kollege Lemke machte sich auf den Weg zur Tankstelle, um den
Dolmetscher für Annas Telefonat zu rekrutieren.
Thamm fuhr in Christians Begleitung zum hiesigen Staatsanwalt, um den
Durchsuchungsbeschluss zu bekommen. Anna wartete auf dem Revier, bis ihre
knappe Aussage aufgenommen war, damit sie sie unterschreiben konnte. Der
schriftführende Polizist würde das Protokoll sofort an den Staatsanwalt
durchfaxen, damit der eine ausreichende Rechtsgrundlage für seinen Beschluss
hatte.
Kurz nachdem das Fax rausgegangen war, kam Lemke mit Leonid zum
Revier. Leonid steckte in einem ölverschmierten Blaumann, an dem er seine Hand
abwischte, ehe er sie Anna reichte. Er freute sich, helfen zu
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