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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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umfunktioniert: Im Hof wusch man Kleider und hängte sie zum Trocknen auf, Wäscheleinen kreuzten sich mit dem Haus und untereinander wie Telegrafendrähte, auf denen die Spatzen schliefen, und wenn das Dorf sich zum gemeinsamen Essen traf, dann wurde hier gekocht. Sämtliche Spuren Mamurras und Baba Baluks wurden getilgt. Man stritt sich um den Spiegel. Abends trafen sich hier heimlich die Jungen, um Zigarettenstummel zu rauchen, die sie tagsüber auf dem Schulweg gesammelt hatten.
    Hier erzählten sie sich haarsträubende Sexgeschichten, ohne die Mädchen, die schickten sie erst weg.
    Der Herbst hielt Einzug, nicht erkennbar an der Farbe oder den Niederschlägen, sondern nur an der Länge der Nächte; die Kinder, die Jungen, gingen zur Schule. Der Schreiber aus dem Basar – ah! sag nichts, was für ein Mann! – war gleichzeitig Lehrer, er arbeitete in einer Schule der Vorstadt. Der Schulweg der Kinder war sehr lang, sie verlümmelten, was die Mütter übrigens wußten, unterwegs mehr Zeit, als sie fürs Lernen aufbrachten. Dafür hatten die Frauen ihre Ruhe, die Jungen waren inzwischen kaum mehr zu bändigen.
    Der Postbote kam und ging. Briefe brachte er nur wenig, dafür aber in unregelmäßigen Abständen einen Beutel voller Geld. Er sammelte auch das Schulgeld ein, wenig Münzen für wenig Wissen.
    Weiße Eulen besuchten die Häuser und flogen von Fensterbank zu Dach. Sie heulten laut.
    Vor und während der Geburt hatte Mamurra nur ein Thema: Baba Baluk. Sie beschimpfte ihn so, wie das sonst nur perfekte Mütter und Hausfrauen können. Warum nur hatte er einen Teppich der Marke Nevernym gekauft? Beschwatzen hat er sich lassen vom Händler, der ihn aus Prinzip so wenig leiden konnte wie die Dorfbewohner. Jeder wußte, und Cheira und Heira hatten ihm das auch mehrmals gesagt, daß ein Teppich der Marke Shlomon viel besser und zuverlässiger sei. Aber Männer und ihre Männersachen! Natürlich wollte der Teppichhändler an Baba Baluk seine schlechte Ware loswerden, die gute Ware war den anderen Männern vorbehalten. Sie habe selber gesehen, wie der Dorfälteste, der jetzt in der Erde vor sich hinschimmelt, sich übertrieben gestikulierend mit dem Teppichhändler unterhalten und dabei auf ihr Haus gezeigt habe. Gut, das Verhandeln war Männersache, das wollte sie ja gar nicht leugnen, doch was konnte ein Mann schon wissen über die Qualität eines Teppichs oder über dessen Knüpftechnik! Cheira und Heira waren Spitzenkenner, doch Baba Baluk hörte nicht auf sie, lieber vertraute er dem Dorfältesten und dem Teppichhändler, blind für deren Verachtung.
    »Hör zu«, hatten die Zwillinge zu ihm gesagt, »ein Nevernym fliegt am Anfang ausgezeichnet, aber nach einer Weile läßt er sich immer schlechter lenken; er bockt wie ein cholerischer Esel und ist unberechenbar, außerdem franst er leicht aus und windfest ist er auch nicht.«
    Aber er wollte ja nicht hören, dieser Depp, dieser Gimpel!
    Sie hatte auf ihrer linken Seite gelegen, jetzt drehte sie sich auf den Rücken. Die Preß wehen setzten ein.
    Cheira und Heira forderten sie auf, zu pressen und ihre Schimpfkanonade fortzusetzen.
    Dieser Gimpel, dieses Mondkalb, dieser Grützkopf: Die Zwillinge freuten sich diebisch daran. Was für eine Stimme!
    Und was für Worte!
    »Taub und stumm sind sie, die Männer. Sie sehen nie was«, tobte Mamurra weiter. Sie konnte sich gut daran erinnern, wie Baba Baluk ihre Einwände lächelnd weggewischt hatte, und wegen dieser einen Geste, wegen dieser einen Schiefmäuligkeit hätte sie ihn jetzt erwürgen können, ihm den Hals wringen wie einen nassen Mop.
    Was sollte nur aus dem Kind werden?
    Cheira und Heira blieb nichts übrig, als zu nicken und sie anzuspornen.
    Ihre Vagina, die sie so bewundert hatte, zerriß zur großen Wunde, ein Schlachtfeld, aus dem das Kind wie ein Überlebender hervorkroch. Das verschmierte Köpfchen mit seidigem, wie mit Pomade eingeschmiertem Haar wurde sichtbar. Ein letzter Schrei der Mutter, und das Neugeborene zitterte in den Händen der Zwillinge. Der Junge kreischte, Kopf und Mundwinkel hingen traurig herab, als wäre er erkältet. Das schwarze Hodensäckchen schien viel zu groß zu sein für den kleinen Körper. Überall an ihm waren noch die Falten der gekrümmten Haltung zu sehen. Sie schnitten die Nabelschnur durch, wickelten ihn in ein Tuch und legten ihn auf Mamurras Busen, diese aber zerfloß gerade in einer Schmerzenswelt, war ein tauentfesselter Bach. »Mein Kind, mein Kind«,
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