Paravion
auftreiben werde, wenn der Wagen in der Ferne auftauchte. Er war ja nicht umsonst, trotz des Fehlschlags neulich und des Getuschels der Kinder, der schnellste von allen!
Ab und zu hopste er in die Luft, als wolle er sich in die Lüfte erheben, wollte fliegen, doch pflückte ihn die Schwerkraft aus der Luft, wo seine Füße noch wild strampelten, dann rannte er weiter, schneller schneller, streckte die Arme aus, brachte die Feigenblätter in Aufruhr. Der Esel wurde unruhig. Mamurra erhob sich mühsam und stieg keuchend den Hügel zum Haus der Zwillinge hinauf.
Das Billigste, was die Frauen auftreiben konnten, war ein verdeckloser Wagen mit einem Karrenlenker, der aus dem gleichen Holz gezimmert zu sein schien wie das Gefährt. Er war klein und hatte viereckige Knochen. Unklar war, was so knarrte, die Planken seines Fahrzeugs oder seine Schultern.
Jedesmal, wenn er röchelnd hustete, fielen Staub und Stroh von ihm ab. Die Frauen, durch den Aufenthalt in der Stadt kokett und anspruchsvoll geworden, konnten sich nur mit Mühe dazu überwinden, auf dem Karren Platz zu nehmen, und wedelten bei jeder Lungeneruption des Mannes vielfingrig die belegt riechenden Schwaden von sich weg. Kaum zu glauben, daß es ihnen bisher nicht aufgefallen war, wie – erbärmlich die Umgebung war, in der sich fortzubewegen sie gezwungen waren! Und dieser vollkommene Mangel an Manieren bei den meisten Männern.
Der Mann hüstelte unaufhörlich und mußte vom Staub, den er selber abgab, ständig niesen. Er nieste auf seine höchst eigene Art, es klang wie Habtschah, Habtschah!
»Sag dann doch wenigstens ›Hatschi!‹ wie jeder vernünftige Mensch!« rief ihm die älteste der Frauen mürrisch zu.
Der Karrenlenker verstand sie nicht richtig und entschuldigte sich: »Pardon, meine Damen, ich kann nichts dafür. Ich habe früher als Vogelscheuche gearbeitet.«
Die Frau wiederholte ihre Bemerkung, lauter jetzt, er aber lächelte nur hold und sagte: »Das können Sie laut sagen, ja ja, schwere Arbeit!« Die Krähen hatten ihn ertauben lassen.
Nach einer endlos erscheinenden Fahrt erreichte der Karren im Trab das Dorf, just zur Stunde, als der Nachmittag sich allmählich abkühlte. Sie stiegen aus, von ihrem Putz war nur noch wenig übrig, alles ein Opfer von Staub und Bazillen. Sie kamen zur richtigen Zeit, denn die Babys hatten gerade ein Gebrüll angestimmt, das nur Muttermilch stillen konnte. Sie bezahlten den Eseltreiber und eilten in die Häuser, bevor er ihnen danken konnte.
Senunu kam spät nach Hause geschwebt, erquickt von großen Schlucken Äthers, an Leib und Gliedern leicht. In der Ferne sah er einen Eselskarren davonschwanken. Der Mann auf dem Bock hopste immer wieder, begleitet von höchst ungereimten Lauten, auf und ab, und der ganze Wagen, inklusive Esel, hopste mit. Er brauchte die Peitsche nicht zu schwingen, die knallte von allein. So hopsten und hicksten sie vorwärts, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Senunu flog ins Haus, wo seine Schwester mit einem unausstehlich triumphierenden Blick, wie ihn nur Kinder haben können, an der Zuckerglasur eines Apfels leckte.
Vollkommen außer Atem flehte er seine Mutter an, sie möge ihm zuhören, er könne alles erklären, weil und dann, und er, und dann, und dann, und sie, ja, vor allem sie, ja sie, und er deutete mit sämtlichen Zeigefingern auf seine Schwester, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und er weinte und seine Zunge raste im Schädel herum wie er am selben Nachmittag über die Felder. Echt, genau so war es!
Mutter stopfte ihm mit einem Apfel den Mund, sonst hätte er an diesem Abend nicht mehr aufgehört zu reden. Vor dem Einschlafen flüsterte er der Schwester mit klebrigen Lippen ins Ohr, was er wirklich von ihr hielt, und daß er es gar nicht ehrlich gemeint habe, als er am Morgen so lieb zu ihr gewesen sei, und daß es nie mehr, ganz sicher nie mehr vorkommen werde. Daran könne eine ganze Apfelplantage nichts ändern.
Sie aber ließ sich nicht einschüchtern und bedachte ihn mit einem so verblüffenden Schwall Schimpfworte, daß man hätte denken können, Cheira und Heira seien ihre Lehrmeisterinnen gewesen. Warm war ihrer beider Atem und süßsäuerlich.
Mamurra blieb bei den Zwillingen und kehrte auch nicht in ihr jetzt unbewachtes Haus zurück. Zwei Monate lang blieb es unbehelligt, dann wurde es aufgebrochen und in Besitz genommen. Man pflückte die Trauben und verkaufte sie teilweise. Das Haus wurde zum zusätzlichen Gemeinschaftsraum
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