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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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tanzen.
    Der Tag würde lang werden, vor allem für die ungeduldigen Kinder zu Hause.
    »Meine Dame«, sprach er und sah sie einen Moment lang an.
    Der Basar fiel in sein ursprüngliches Tempo und Getöse zurück. »Hören Sie zu.«
    Bevor sie zu Cheira und Heira ging, brachte Mamurra den Esel ins Abqar-Tal hinunter und band ihn an einen Feigenbaum. Sie setzte sich, um Platz für ihren Bauch zu schaffen, mit gespreizten Beinen auf den Boden und streichelte den Ziegen über den Rücken. Einst, gut möglich, daß sich die Zwillinge noch daran erinnern konnten, war hier ein Bach geflossen. Jetzt war das Bett vollkommen ausgetrocknet, die Strömung des Wassers hatte tiefe Furchen hinterlassen, Disteln wuchsen am Rand dieses Orts, wo der Bach begraben lag, die krummen Feigenbäume ließen traurig die Äste hängen, bedeckten mit den Blättern ihre fruchtlose Scham. Hier wollte sie begraben werden oder aufgebahrt für die Aasgeier.
    In einem Haus fingen die Babys an zu schreien, verstummten aber nach kurzer Zeit wieder. Mamurra summte leise vor sich hin, streichelte den Bauch und blickte neben sich auf den Boden. Nein, hier gab es kein Spiegelbild, nur ihren Schatten.
    Das Kind in ihrem Bauch drehte sich um, und sie sah, wo sein Po gegen die Bauchwand drückte.
    Sie sang:
    Innige Umarmung einer inneren Welt
    in meinem Bauch, dem Lebensglobus, mein Kind; werde ich mein ganzes Leben lang spüren, wie eine Leere meine Gebärmutter aushöhlt,
    wenn du einen Kreis bildest um meine Brustwarze, deine Arme eine Schnur um meinen Hals sind, und du mir ganz nah sein wirst,
    doch nie mehr so nah wie jetzt?
    Sie fragte sich, ob das Kind nur das Klopfen ihres Herzens hörte oder auch das gedämpfte Wiege-wiegen der Feigenblätter.
    Wie schön wäre es, hier Kränze flechten zu können, inmitten eines gurgelnden Vogelchors, heimlich beobachtet von Baba Baluk, den Jungen, den Männern. Nackt könnte sie ins Wasser steigen, ihr Körper im Gekräusel wie Wasser in Absinth, die äußeren Labia wie zwei Rosenblätter, die die Strömung nicht mit sich reißen könnte: sie würde sich benetzen, von den Flecken Sonnenlichts die Haut schrubben lassen, während der Wind bereitstand mit tausenden spinnwebgewebten Handtüchern. Räkelnd und rosafarben und mit geschlossenen Augen empfinge sie dann ihren Gatten, der sie bekröche, wobei sie anfangs unwillig zu sein schiene, das läge am Wasser, ihn aber dann doch mit ihrer Taunässe willkommen hieße. Den Mund würde sie zu einer Mohnkapsel hohlbeuteln, damit er seinen Durst stillte an ihrem Saft. Die Frösche würden quaken, die Grillen zirpen, die Vögel alte Motive zwitschern, dann würde er brummen und sie kurz und melodiös stöhnend den Rücken krümmen und zerspringen.
    Aber sie wußte auch, daß zu der Zeit, als das Wasser rauschte und die Felder noch lebendig waren, sie sich von alledem nichts hätte ausmalen, nichts hätte erlauben dürfen. Sie war eine andere Frau geworden, früher hätte sie solche sinnlichen Phantasien verabscheut. Jetzt aber genoß sie ihren neuen Geruch und Körper. Es war noch nicht lange her, da hatte sie ihre Scham in einer Spiegelscherbe betrachtet, voller Herzklopfen und der Angst vor unsichtbaren Blicken, obwohl sie ganz allein im verschlossenen Raum gewesen war. Aber jetzt sei sie schwanger, und dann müsse sie auch diesen Teil ihres Körpers kennen, hatte sie die Tat vor sich gerechtfertigt.
    Und was sie sah, sie gestand es sich verlegen ein, war etwas Wunderschönes. Etwas, das sie stolz und glücklich machte; und zu Cheiras und Heiras Rührung und Freude hatte sie sich mit den beiden aufgeregt und ausführlich darüber unterhalten.
    Eine Gelegenheit mehr für die beiden, ihr Lieblingsthema zur Sprache zu bringen: »Wir haben unsre Rührbutte beim Altwerden verloren, wir wissen nicht mal mehr, wo sie mal war«, sagten sie und lachten selbst über ihren Witz. Mit Baba Baluk hätte Mamurra nie über so etwas reden können: Der war an Details nicht interessiert.
    Eine Eidechse war Zeugin ihrer Visionen und ihres Nachsinnens, mißtrauisch und jederzeit zur Flucht bereit.
    Senunu kam den Hügel heruntergeflogen und störte ihre Tagträumerei. Nachdem sein Schwesterchen sich doch seiner Obhut entrissen hatte, übte er durchs Dorf rennend seine Flugkünste. Die Flucht der Schwester machte ihm Sorgen, er würde von der Mutter sicher kein Geschenk bekommen, wenn sich herausstellte, daß er nicht auf sie aufgepaßt hatte. Aber er beruhigte sich damit, daß er sie schon
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