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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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der Teppichverkäufer, der mehr mit der Spitze des Kinnbarts zu sprechen schien als mit dem Mund. Die übrigen Gäste nickten.
    Der Name des Cafes lautete Bar Zach. Es war keine echte Bar, das heißt eine, in der Alkohol ausgeschenkt wurde, nein, der Wirt wollte nur einen modern klingenden Namen. Jeder aus Morea kam hierher, um unter Seinesgleichen zu sein, sich zu akklimatisieren und im neuen Land allmählich die ersten Schritte zu tun – sofern man sich überhaupt bewegte. Hier trank man zischende und sprudelnde Limonaden, zum Beispiel Orangina, Crush und Judor (»Das Getränk der Jugend«). Sie schmeckten nach Orangen, Moreas Frucht par excellence.
    Außerdem servierte man hier das erfrischende La Cigogne, dessen Flasche ein Storchrelief zum Signet hatte. Das Getränk kitzelte in der Nase wie ein Nieser, der partout nicht raus wollte. Die beiden beliebtesten Getränke aber waren Cola Maroca und Zam Zam Cola, anregend und mit Kohlensäure, aber auch mit E 120 bis inklusive E 160 versetzt. Der Geschmack von Vaterland in Flaschen, denn die Getränke waren durchweg moreanische Marken. Bei den Flaschen stand auch eine Flasche Apfelshampoo, sie war aus Versehen dazwischengeraten, gehörte eigentlich dem Karrenlenker, der es einfach nicht fassen konnte, daß man aus Granny-Smith-
    Äpfeln Shampoo machte. Stellt euch das mal vor! Noch so ein technisches Wunder von Paravion. Der Teppichhändler weigerte sich daraufhin, Äpfel zu essen: »Ich will keinen Schaum im Magen«, sagte er.
    Das Teehaus war voll von Stimmen und haarsträubenden Geschichten und vom Geruch von Krauseminze: alte Bekannte. Die neuangekommenen sieben Männer waren schon vor Jahren in den Kreis aufgenommen worden. Sie unterhielten sich angeregt: »Glaub’ mir, es geht nichts über Telefunken!«
    »Grundig – besser geht’s nicht.«
    »Ich will mal einen Mercedes Benz.«
    »Halla! Mein Traum ist ein Honda Civic.«
    »Ach, haltet doch alle den Mund! Ein Golf GTI, das wär’s.
    Halla! Und bei einem Ford Escort oder Transit würde ich auch nicht nein sagen!«
    Sie fielen sich schreiend ins Wort, brummten wie die Motoren der genannten Autos, und träumten mit Augen, die bisher nur Simcas und Peugeots 205 erblickt hatten. Der Fischer war der einzige, der einen echten Mercedes hatte, denn er verdiente viel Geld mit dem Handel von Mutterkorn und Cannabis, die er bei Cheira und Heira ertauschte. Seit kurzem jedoch waren die Lieferanten verschwunden; vermutlich gestorben. Jetzt hatte er keine Ware mehr und mußte sich etwas einfallen lassen, vielleicht könnte er den Mercedes an einen der Brüder verkaufen. Sein Ansehen stand auf dem Spiel. In seinem Rausch nickte er und trank lächelnd seinen Tee.
    Auf der Vorderseite des Hauses hing ein Schild: FÜR
    FRAUEN VERBOTEN! Das Gebäude war viereckig, die Schatten in seinem Innern waren rotbraun, die Theke bestand aus einem Brett, das auf zwei Fässern ruhte; dahinter diente ein kleiner blau-weiß gekachelter Alkoven als Küche; dort stand ein Gasherd, auf dem Tee gekocht wurde, aber auch Suppen und Eintöpfe aus Hühnerfleisch, Kartoffeln und Oliven. In Mauernischen standen Öllampen – das sparte Strom. Das Teehaus müßte eigentlich dringend vergrößert werden, denn die Zahl der Gäste stieg ständig. Es befand sich am Haupteingang von Paravion und fungierte, wie bereits erwähnt, gewissermaßen als Empfangshalle für Neuankömmlinge.
    Davor stand in geplättelter Erde der Baum mit den glasierten Äpfeln. Der Boden hier war feucht und fruchtbar. In den Grünanlagen um das Teehaus herum blühten Rosen, häufig besucht von glücklichen Bienen.
    Ein Teil des Gebäudes war eingerüstet, und die Bauarbeiter tranken noch vor Arbeitsbeginn Tee und aßen Gebäck. Doch gingen sie während ihrer Brotzeit so im Betrachten der Passanten ( – /w) auf, daß die Zeit bis zum Anbruch der Siesta rasch verging und es danach zum Arbeiten natürlich zu heiß war. Ein Mittagsschläfchen aber würde sie gewiß erfrischen.
    Wie sie bei alledem zu den Farbspritzern auf Kleidern und Händen und zu den schwarzen Rändern unter den Nägeln kamen, war ein Geheimnis des Lebens. Sie schlürften, schmatzten und rülpsten.
    Die Frauen von Paravion zeigten viel nackte Haut, die Palmsprößlinge ihrer durchsichtigen Gliedmaßen und meist bepunkteten Busen waren appetitlich anzusehen und erfüllten die Besucher des Teehauses mit Geilheit und Ekel gleichermaßen. Doch wirklich schamlos waren erst die Wesen im grünen Zentrum von Paravion,

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