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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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fragte sich, was sie wohl verdienen mochten. Sein eigener Lohn damals war nur mager gewesen, und dabei beherrschten diese Männer hier ihr Handwerk offensichtlich nur mangelhaft: Der ganze Platz war mit Tauben übersät. Und das, obwohl ihre Ausrüstung viel besser war als seine: Harnische und Helme, Schilder und sogar Schwerter.
    Die Verwundungen, die ihm die Vögel zugefügt hatten, waren inzwischen verheilt, doch unwillkürlich betastete er Schultern und Arme. Ein Vogel hatte ihm sogar in die Stirn gehackt, aber von der Wunde war nichts mehr zu sehen. Er nickte den stillen Leben mit dem anerkennenden und wissenden Blick des Berufskollegen zu und setzte seinen Weg mit auf den Rücken gelegten Händen fort. Fast wäre er auf ein paar Tauben getreten. Gutgekleidete Bettler hielten ihm die offenen Hände hin, die er ergriff und schüttelte. Nette Leute hier. Alle platzten vor Reichtum und die Frauen vor Schamlosigkeit. Überall boten Bäume Abkühlung. Auf einer Bank saß ein Liebespaar und hielt sich klebrig umarmt, es bestand nur noch aus Zungen.
    Das Glockenspiel erklang und weckte die Geister, die im Palast wohnten. Straßenbahnen sausten rechts und links daran vorbei, Autos standen tuckernd davor, Radfahrer kurvten überall durch. Polizeibeamte unterhielten sich mit zwielichtigen Typen und wiesen ihnen mit erhobenen Zeigefingern den richtigen Weg. Die Menschen aßen im Gehen, stopften sich fettige Happen in den Mund, tauchten fritierte Kartoffeln in weiße Soße. Den roten und gelben Eiskarren mangelte es nicht an Kundschaft. Hufe und Holzräder waren in diesem Verkehr überhaupt nicht vorhanden, und der Karrenlenker war sich nicht sicher, ob die genialen Vehikel – von Liegerädern bis zu motorisierten Rollern – die Hufe und Holzräder wirklich ersetzen konnten.
    Eine Polizeibeamtin beugte sich über ein Mädchen im roten Kleidchen, es leckte an einem Eis und deutete heftig nickend mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger irgendwo in die Ferne: »Doch, ich weiß, wo Mama ist!« Nur Kinder können Großbuchstaben tatsächlich aussprechen. Die weibliche Ordnungshüterin streichelte dem Mädchen übers Köpfchen.

    In den Straßencafes baumelten übereinandergeschlagene Frauenbeine in verschiedenen Tönen weißer Haut. Die Frauen waren schön und begehrenswert, sie waren jung, zügellos, sie lachten gern, waren ausgelassen, frech, elegante Stutfüllen mit schlanken Gliedmaßen, sie strahlten jene typische Lebendigkeit aus, die nur bei provozierender Freiheit entsteht, doch vor allem waren die Frauen entsetzlich anwesend. Einige seiner Landsmänner konnten sich nicht satt sehen, kratzten ständig an ihren Hodensäcken, bevor sie fluchend ausspuckten; ihre Gewänder kämpften sich vorwärts, als bestiegen sie einen Hügel, obwohl die Straßen hier doch so flach waren. Lange Menschenschlangen warteten vor einer Mauer, die Geld verlor.
    Die flatternden Scheine des nigelnagelneuen Geldes vom unsichtbaren Geldbaum stopften die Leute etwas später in kartenschwangere Portemonnaies. Vor allem die der Frauen waren sehr dick, weil diese nicht nur Geld, sondern auch entwertete Straßenbahntickets, Geburtskarten, Kassenbons beherbergten, kurz alles, woran ein Frauenherz hängt.
    Ein junger Mann, Kraushaar, Sonnenbrille, satinglänzender Schnurrbart, bekleidet mit einem fluoreszierenden Trainingsanzug, in dem er allerdings nur wenig trainierte, trat dem Karrenlenker in den Weg und lud ihn ein, sich neben ihn auf die Granitbank zu setzen. »Wir sind doch beide Fremde hier«, lauteten die Worte, welche seine Lippen formten. Der Karrenlenker wies die Einladung mit höflicher Geste zurück, konnte sich aber nur mit großer Mühe losreißen, denn der junge Mann hielt ihn am Ärmel seines Kittels fest. Ob er vielleicht ein Handy kaufen wolle? Nagelneu. Einen Paß?
    Etwas anderes? Der Karrenlenker nickte, obwohl er eigentlich den Kopf hätte schütteln müssen. »Dann gib mir Geld, du alter Geizkragen! Leute wie du sind schuld, wenn aus mir ein Krimineller wird. Wir müssen uns in diesem fremden Land doch helfen!« Der Karrenlenker eilte mit kurzen schlurfenden Schritten davon. Er verlor sich in der Menge, doch nach kurzer Zeit – Schinien und Licheln – fand er in sein – Linien und Sicheln – normales Schrittempo zurück. Der junge Mann brüllte ihm noch etwas nach, bevor eine vorbeihuschende Schultertasche seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Die große Einkaufsstraße beidseits des Platzes schluckte Menschenhaufen und kotzte

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