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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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ein Stück Busen, er sah die Kerbe im Fett, schlappes Fleisch, müde vom Alkohol. Das Licht der Straßenlaternen füllte ihre Brillengläser aus. Er blieb stehen und sah zu, wie sie die Haustür öffnete, ins Haus trat und ihm einen Abschiedsgruß zuflüsterte. Aber er ging nicht.
    »Na, dann komm halt. Ist ja auch egal!«
    Hocherfreut folgte er ihrer Aufforderung. ›Also doch Wlazertanzen!‹ dachte er. In ihrer Wohnung roch es nach Chlor und nassen Hunden. Lebensmittelkonserven standen auf der Anrichte, im Kühlschrank, aus dem sie eine bereifte Schnapsflasche holte, lagen verfaulter Lauch und Salat. Im Wohnzimmer stand ein Sessel mit herausstehender Sitzfeder, und ihr Schlafzimmer war ein hempelhaftes Durcheinander aus Bettlaken, schmutzigen Kleidern, Unterwäsche und, merkwürdigerweise, Wäscheklammern aus Plastik und Holz.
    Das verstaubte Luxaflex-Rollo war so farblos wie ihre Haut, die Lamellen waren zerknickt, verbogene Gitterstäbe, durch die die Freude die Wohnung einst fluchtartig verlassen hatte.
    Und an diesem Ort fand ihre traurige Turnübung statt, ein Geziehe und Gezerre an Kleidern und Körperteilen, voller Falten, die unauffindbar, und Stöße, die schmerzhaft waren.
    Zum Glück war sie zu betrunken, um ein Vergnügen oder Mißvergnügen daran zu empfinden, trotzdem war ihr die armselige Gymnastik mit einem unbeholfenen Mann, der nur aus Knie und Stoppeln zu bestehen schien, nicht unangenehm.
    Er kniete sich aufs Bett, auf dem sie schon lag, und machte ein paar ziellose Bewegungen, er riß am Halter ihrer ausschweifenden Büste, als zäumte er einen Esel ab, dabei hielt er den Saum seines Gewands unters Kinn geklemmt, die Zunge zwischen den Zinnen seines Gebisses aufgerollt; hastig machte er sich an die Arbeit, voller Angst, seine innere Bombe würde schon auf der Fußmatte losgehen, wenn sie nur endlich mal aufhören würde zu lachen, dann ginge alles viel besser. Es war Holzschuhsex im Schlamm, und küssen tat er auch nicht.
    Das Bett, das nur das Gewicht einer Einzelperson kannte, und zwar immer auf derselben Stelle, war mit dieser erotischen Rammelei überfordert und geriet in Panik. Als das Scharmützel endlich vorbei war, stieß es einen erleichterten Seufzer aus.
    »Als bimse man einen Brunnen«, berichtete er am nächsten Tag im Teehaus. »In diesem Land ist alles naß. Und vom ständigen Fahrradfahren werden die Frauen untenherum ganz weit.«
    Er hatte den Teppich bei ihr vergessen, zum Glück, denn jetzt hatte er einen Grund, noch mal zu ihr zu gehen, wie immer in sein mausgraues Gewand gekleidet, drunter ein weißes Hemd, aber keine Hose, nicht mal eine Pumphose.
    Beim Karrenlenker, der die Gebetshäuser hinter sich gelassen hatte und die Richtung des verbotenen Parks einschlug, lag die Sache anders. Er war mager und nur schlecht zu Fuß, unter seinem Kittel war gerade noch ein Torso zu erahnen, doch seine Hose schien unbewohnt zu sein, eher gestärkt als faltig.
    Er stolperte vorwärts, das Becken bewegte sich dabei wie ein Kubus, seine Knie knickten ein, als könnte er jeden Augenblick hinfallen. Immer wieder mußte er seine Jeans am Bund, den er mit einem enggezurrten Gürtel würgte – er hatte noch ein paar Löcher hineinmachen müssen –, hochziehen.
    Das Haar klebte ihm am Schädel, die Schultern hingen gebogen unter der Geisterlast der Krähen, die um die Augen herum ihre Spuren hinterlassen hatten. Auf dem Kragen seines Kittels lag eine Milchstraße aus Schuppen.
    In seinem früheren Leben war er Junggeselle gewesen, und das war er noch immer. Im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht blieb er stets scheu und verlegen. Körperlich war er wenig bewandert, doch war sein Verlangen auch kaum physischer Art. Den Körper hinzugeben ist einfacher als den Geist, aber was, wenn man nur Geist zu geben hat? Seine unzulänglichen Sprachkenntnisse jedoch machten ein Gespräch mit den Frauen nahezu unmöglich, und dabei wollte er nur mit ihnen reden. Sexuelle Abenteuer, wie der Teppichhändler eines hatte, waren nichts für ihn, so wenig wie die Geschichten darüber, die er zum Glück nicht hörte. Aber vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, daß er die Sprache nicht konnte; wenn er dem Teppichhändler glauben durfte, klang das Paravionesisch wie Vogelkrächzen, und das war genau das, was der Karrenlenker in seiner dämmrigen Taubheit ja sowieso dauernd hörte und was er ja auch nicht verstand. Es waren befremdliche Zeiten in einem noch fremdartigeren fremden Ort. Und so blieb ihm also

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