Paris ist eine Messe wert
sitzt er ab, er knüpft seinen Zügel gleich neben uns an den Mauerring. Alsdann, Miroul!«
»Moussu!« hörte ich Miroul noch mit bebender Stimme sagen, »mögt Ihr schnell genug sein!«
Geliebter Leser, der Sie vermutlich von Kindsbeinen an in allen Waffen geübt sind, vielleicht werden Sie ein bißchen die Nase darüber rümpfen, mit wie kalter und dürrer Speise ich Sie jetzt abserviere. Aber, es ging alles blitzschnell – schade für Sie, Gott sei Dank für mich! – und war ohne Worte in kürzerer Frist erledigt, als ich benötige, diesen Satz zu schreiben.
Als Miroul mir wünschte, ich möge »schnell genug« sein, umrundete ich, den blankgezogenen Degen in der Linken, meine Pistole in der Rechten, um den Chevalier vorm Betreten des Hauses zu stellen, die Kruppe seines Hengstes, etwas zu knapp, scheint es, denn der schlug jäh nach mir aus, was mich ins Schleudern brachte. Es krachten gleichzeitig drei Schüsse. Und als Miroul mir mit seiner Laterne die Augen blendete, fand ich mich am Boden liegen, benommen, aber heil, der Hengst wieherte schauerlich, Blut rann in langen Bahnen aus seiner Flanke, und fast neben mir lag der Chevalier – sein schönes Gesicht war ein blutiger Krater.
»Miroul«, brachte ich mühsam hervor, und meine Stimme kam mir seltsam grell vor, »hilf mir auf. Was machst du denn?«
»Ich lasse den Hengst los, damit er so blutig zu den Ligisten läuft: Ihr versteht, warum.«
An diesen Satz von Miroul erinnere ich mich, und dann erst wieder an einen von Tronson, den ich gleich sagen werde, aber diese zwei Sätze sind gleichsam zwei Bergkuppen, die aus dichtem Nebel ragen, denn wie ich am übernächsten Tag von |352| Miroul hörte, als mein Geist sich endlich klärte, versetzte mir der Hengst, als Miroul ihn losband, noch einen Hufschlag an den Kopf, so daß der Rest dieser Nacht für mich in ein Vergessen sank, aus dem nichts, aber auch gar nichts in mein Gedächtnis dringt, höchstens daß ich bei dem Lauf, der auf den Tod des Chevaliers folgte, mit unsäglich tröstlichem Gefühl verspürte, wie Miroul mich mit fester Hand über den Wachgang führte. Aber ich weiß absolut nicht, wie ich die lange Leiter hinunterkam, was völlig mechanisch geschehen sein muß und ohne jede Angst, weil mein Kopf so schwer benommen war. Trotzdem, als ich den Fuß aufs Eis setzte, zerriß für einen kurzen Moment die Benommenheit: Ich hörte von nahem wiederum die grimmige Schießerei und noch näher an meinem Ohr Tronsons Stimme. Und bis heute entsinne ich mich nicht allein seiner Worte, sondern auch seines zugleich gutmütigen und fordernden Tons.
»Gevatter«, sagte er, »denkt Ihr an unser Geschäftchen?«
»Und Saint-Denis?« fragte ich Miroul, als ich am übernächsten Tag wieder bei klarem Kopfe war.
»Die Ligisten hatten sich, wie wir es uns dachten, ohne ihren Anführer schon ans Plündern gemacht, aber Vic fiel mit kaum fünfzig Berittenen so unerschrocken über sie her, daß immer mehr die Flucht zum Pariser Tor antraten und die Truppen, die noch gar nicht drin waren, in heilloser Unordnung zurückfluteten. Und als der Trompeter immer aufs neue schmetterte und sie glauben mußten, die ganze Garnison rücke ihnen aufs Fell, wurde die Unordnung zur Panik, die ihren Gipfel erreichte, als mit leeren Steigbügeln der blutige schwarze Hengst erschien, worauf die ganze Bande in heller Auflösung floh.«
»Dem Himmel sei Dank!«
»Was d’Aumale anlangt, so nahm ich noch schnell seine Börse an mich, die ich gestern verbrannt habe, nicht aber die siebenhundertfünfzig Ecus, die sie enthielt.«
»Sie gehören dir!«
»Sie gehören Euch! Als d’Aumale blindlings schoß und Euch verfehlte, weil Ihr stürztet, traf ihn Euer losgehender Schuß vor meinem. Trotzdem, was den Tod des Chevaliers angeht, muß ich etwas hinzusetzen.«
Hierauf lächelte mein reizender Miroul verschmitzt und ließ |353| mich gespannt auf einen seiner hübschen Sätze warten, den er, wette ich, sich vielmals hatte auf der Zunge zergehen lassen, während er meinen Schlaf behütete.
»Trotzdem?« fragte ich gehorsam, war ich ihm doch viel zu dankbar, um meine Rolle in dieser Komödie nicht zu spielen.
»Überall in Paris heißt es, Monsieur de Vic habe den Chevalier d’Aumale von eigener Hand erschossen.«
»Ach!« sagte ich, mehr brachte ich vor Enttäuschung nicht heraus.
»Moussu«, fuhr Miroul mit verhaltener Genugtuung fort, »hättet Ihr gewünscht, daß man glaubte, Ihr wärt es gewesen?«
»Nein, nein«,
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