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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Schöpfer des Himmels und der Erde zu glauben.«
    »Wo ist das Problem?« fragte Miroul.
    »Keins«, sagte Fogacer, »nur daß man hienieden nie gesehen hat, daß irgendwer irgendwas aus dem Nichts schuf.«
    »Für Gott ein leichtes«, sagte Miroul, »er ist allmächtig.«
    »Woher weiß man, daß er allmächtig ist?« fragte Fogacer. »Weil er Himmel und Erde erschaffen hat.«
    »Wunderbar! Die Schlußfolgerung deckungsgleich mit der Prämisse. Darf ich fortfahren?«
    »Ich bitte darum«, sagte ich stöhnend, indem ich Miroul durch ein Zeichen bedeutete, nicht noch einmal zu widersprechen.
    »Im selben Zug wie an Gott soll der König an Jesum Christum, seinen einzigen Sohn, glauben, ›eingeboren dem Vater seit Anfang der Zeiten, eingeboren, nicht geschaffen, sondern dem Vater innewohnend‹.«
    »Und?« fragte ich, meinerseits in die Falle tappend.
    »Hm, verlegen macht mich das ›eingeboren‹«, meinte Fogacer. »Gott hat seinen einzigen Sohn nicht nach Menschenart gezeugt, weil er keine Göttin hatte. Geschaffen hat er ihn auch nicht.«
    »Gott ist allmächtig«, sagte Miroul.
    »Richtig«, sagte Fogacer, »das ›allmächtig‹ erklärt alles. Beachtet immerhin, daß der Sohn vom Vater unterschieden wird und sich doch mit ihm vermischt, weil er ihm innewohnt. Was heißt das?«
    »Daß diese Mysterien über unsere Vernunft gehen«, sagte ich.
    »Wenn die Vernunft«, sagte Fogacer, »uns von Gott gegeben ist, sollte sein Gott-Sein sich ihr enthüllen, statt sie zu verwirren. Ach, armer König!«
    »Wieso ›armer König‹?« fragte ich.
    »Weil er dies hier morgen schwören muß«, sagte Fogacer, |386| sein Manuskript schwenkend. »›Ich, der König, anerkenne und empfange die Heilige Schrift gemäß dem Sinn, den ihr unsere Heilige Mutter Kirche beimißt, welcher allein das wahre Verständnis und die Auslegung besagter Schrift zusteht.‹ Siehst du, Siorac«, fuhr er fort und hob seinen Becher, »hiermit stirbt kläglich die große Idee der Protestanten: freie Prüfung der Heiligen Schriften. Ich trinke auf ihr Hinscheiden und auf dessen Frucht.«
    »Welche Frucht?«
    »Die Intoleranz! Hört weiter. ›Ich, der König, billige ohne jeden Zweifel und bekenne alles, was von den Konzilien beschlossen ist, und mißbillige, verwerfe und verdamme infolgedessen alle von unserer Heiligen Kirche verworfenen und verdammten Ketzereien.‹ Hiermit, Siorac, werden Katharer, Waldenser, Hussiten, Lutheraner, Calvinisten und die amerikanischen Eingeborenen zum zweitenmal massakriert und verbrannt. Hiermit anerkennt der arme König – er tut mir wahrhaftig leid – die absolute Gerechtigkeit der Verfolgung, die ihm und den Seinen seit einem halben Jahrhundert widerfahren ist.«
    »Aber«, sagte ich, »der König akzeptiert die Intoleranz nur, um gegen die Intoleranz zu kämpfen.«
    »Indem er vor seinen Henkern in die Knie geht? Ich bezweifle, daß er einen guten Weg beschreitet. Die ersparen ihm nichts, denn der König, Siorac … Holla, Jeannette, schenk uns von dem guten Meßwein nach! … Der König wird sich auch zum Fegefeuer bekennen müssen, ›aus welchem die dort weilenden Seelen nur gerettet werden können durch die Gebete der Gläubigen, ihre Spenden und die Seelenmessen, welche sie für jene lesen lassen‹. Hörst du dabei nicht, mein Sohn, wie fröhlich die Münzen im heiligen Kasten klingeln? Danke, Jeannette, ich fühle, wie besagter Wein sich in mir verwandelt.«
    »Aber nicht in göttliches Blut«, sagte Miroul.
    »Das will ich hoffen: Ich will ja nicht gekreuzigt werden. Doch weiter. Nach dem Fegefeuer muß Henri die Heiligen anerkennen – ein eminent volkstümlicher Kult, urheidnisch und abergläubisch. Und, hört gut zu, er muß die heiligen Reliquien besagter Heiligen verehren, von denen jeder weiß, daß man täglich neue fabriziert; muß einräumen, daß ›der Erlöser seiner Kirche die Obhut der Mildtätigkeit verliehen hat, zum Segen für das Christenvolk‹ – und, erkühne ich mich zu ergänzen, für die Priester, die über diese gebieten, und nicht
gratis pro Deo.
|387| Schließlich muß der arme Henri sich verpflichten, die ›Bilder‹ zu verehren, welche in Kirchen von Jesus Christus, seiner glückseligen Mutter, der ewigen Jungfrau, und anderen Heiligen aufgestellt sind, kurz, ebenjene Bildwerke, Gemälde, Statuen und Kirchenfenster, die unsere liebwerten Hugenotten zerschmettert haben – womit sie der Kunst manchesmal großen Abbruch taten, nicht jedoch der Reinheit des Kults, denn die

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