Paris ist eine Messe wert
nicht, will ich hoffen!« sagte Madame de Nemours, indem sie jäh aufstand und hin und her durch den Salon schritt, was mir ganz neu an ihr war. »Denn das muß einmal gesagt sein, Monsieur«, fuhr sie fort. »Die Bekehrung des Königs ist der Ruin meiner Familie.«
»Madame, jetzt sagt Ihr selbst ›der König‹.«
»Nun, ist er es nicht? Und macht er nicht jedenfalls bessere Figur als der junge Guise, den der Legat und der Herzog von Feria zum König machen wollen? Ein schöner König! wie meine Tochter Montpensier sagt.«
»Madame, Ihr sprecht von Eurem Enkelsohn.«
»Enkelsohn oder nicht«, fuhr Madame de Nemours leidenschaftlich fort, »meine Schwiegertochter, Madame de Mayenne, hat ganz recht, wenn sie sagt, daß er ein Rotzbengel ist, der die Rute verdient! Wenn er bei seiner Tante Montpensier schläft, kackt er in die Betten ihrer Ehrendamen, wußtet Ihr |406| das? In seinem Alter! Ha! Ein schöner König, wahrhaftig! Ohne Heer! Ohne Geld! Ohne Nase!«
»Ohne Nase?«
»Wollt Ihr den winzigen Fortsatz etwa als Nase bezeichnen, den der kleine Scheißer im Gesicht trägt?«
»Nun, Madame, da ich den Prinzen von Joinville nur einmal im Leben sah, werdet Ihr entschuldigen, daß ich mich an seine Nase nicht erinnere.«
»Aber da gibt es nichts zu erinnern, Monsieur! Ich weiß gar nicht, wie der Prinz von Joinville sich schneuzt, so wenig Ansatz findet das Schnupftuch. Und, wenn Madame de Mayenne ihn zu Recht einen ›Rotzbengel‹ nennt: wie der Rotz durch so kleine Löcher gehen soll.«
»Madame«, sagte ich, staunend, daß die sonst immer so vornehm beherrschte Herzogin sich in solcher Weise ausließ, »es ist doch nur eine Redensart.«
»Ganz und gar nicht. Es ist die Wahrheit. Und glaubt Ihr, Frankreich hätte es verdient, daß diese lächerliche Nase den Thron besteigt? Zumal wenn das Sprichwort wahr ist, daß man an der Nase den Schwengel erkennt, wird man wohl bezweifeln müssen, daß der Prinz uns jemals einen Dauphin zu bescheren vermöchte!«
»Ha, Madame!« sagte ich, ziemlich sprachlos über solche Derbheit, »letztenendes ist es doch eine große Ehre für Eure Familie, wenn einer ihrer Prinzen von den Generalständen zum König gewählt werden soll.«
»Aber nicht, welcher Prinz!« rief Madame de Nemours außer sich. »Gott sei Dank gibt es in meiner Familie ansehnlichere als meinen törichten Enkel!«
»Denkt Ihr an Euren Sohn Mayenne?« fragte ich, nicht ohne ein wenig Bosheit.
»Mein Sohn Mayenne! Aber er ist verheiratet! Und Ihr dürft mir glauben, daß er verzweifelt ist, weil er nicht wie der Prinz von Joinville die spanische Infantin heiraten kann.«
»Aber der Sohn des Herzogs von Mayenne, Madame, ist doch Junggeselle!«
»Puah!« sagte sie, »er ist noch nicht zwanzig und hat schon einen Wanst wie sein Vater! Monsieur«, setzte sie hinzu, indem sie mich zornig anfunkelte, »macht Ihr das am Ende mit Absicht, daß Ihr meinen Sohn Nemours nicht erwähnt?«
|407| »Madame«, sagte ich und erwiderte ihren Blick so unschuldig ich konnte, »niemand bewundert mehr als ich den Herzog von Nemours, und wie gut er Paris während der Belagerung verteidigt hat. Aber leider ist er nun in Lyon, und wie ich höre, führt er sich dort nicht allzu weise auf, er hat sich alle Würdenträger der Stadt zum Feind gemacht.«
»Ja, das kommt eben davon, wenn man nicht auf seine Mutter hört!« meinte Madame de Nemours mit einer Naivität, die mich rührte. »Als Nemours Gouverneur von Paris war, konnte ich ihm immer raten, den Herren alle Rücksichten zu erweisen. Mein Herr Sohn, sagte ich, gebt acht, diesen Protzen vom Hohen Gericht und ihrem angemaßten Talmi-Adel Respekt zu bezeigen, sonst habt Ihr nichts wie Ärger, und wenn Ihr sie nicht sämtlich umbringen wollt, was wenig christlich wäre, kommt Ihr nie mit ihnen zu Rande. Und jetzt? Jetzt ist mein Nemours in Lyon, vergißt, fern seiner Mutter, allen guten Rat und spielt den Tollkopf! Ihr werdet sehen, Monsieur, am Ende ruiniert er Lyon noch wie sich selbst! Ach, meine Söhne! Meine Söhne!« rief sie, und Tränen stürzten aus ihren Augen, »sie bringen uns noch alle ins Verderben, mich, meine Familie und meine Nachkommen!«
»Madame«, sagte ich, »ich sehe durchaus nicht, daß die Dinge so schlecht für Euch stünden. Schließlich ist der König, wie jeder weiß, bemüht, sich mit Eurem Sohn Mayenne zu einigen!«
»Aber, Monsieur, dazu dränge ich Mayenne doch, wie ich nur kann und so oft ich ihn sehe! Das Unglück ist nur, daß er
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