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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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daß ich von ihrer zugleich würdigen und eleganten Erscheinung wieder ganz verzaubert war. Und wie sie dort auf ihrem Lehnstuhl saß, den Kopf über dem anmutigen langen Hals hoheitsvoll erhoben, richtete sie nacheinander zwei Blicke auf mich, niederschmetternd der erste, worauf ein zweiter nach der Wirkung des ersten in meinen Augen spähte. Was sie befriedigt haben mußte, denn ihre anfängliche Frostigkeit wich ein klein wenig.
    »Monsieur«, sagte sie endlich, »ich hoffe sehr, Ihr habt diesmal nicht die Stirn, vor mir auf die Knie zu fallen und meine Hände zu verschlingen, wie Ihr sonst zu tun pflegtet, ohne Rücksicht auf meinen Rang und Euren Stand.«
    »Frau Herzogin«, erwiderte ich mit tiefer Verneigung, »nicht daß es am Verlangen gebräche. Es mangelt an der Verwegenheit, denn Euer gebieterischer Blick sagt mir, daß ich Euer Mißfallen erregt habe, was mich unendlich betrübt.«
    »Aber danach, Monsieur, seht Ihr mir gar nicht aus. Ihr solltet Eure beredten Augen besser lügen lehren, denn ich sehe |404| darin eher ein vergnügtes kleines Blinken, das ich geradezu unverfroren finde.«
    »Weil mein Vergnügen, Madame, in der Tat zwiefach ist. Nämlich, nach so langer Zeit Eure unzerstörbare Schönheit betrachten zu dürfen und überdies für meine Abwesenheit von Euch getadelt zu werden.«
    »Eure Abwesenheit!« rief sie, »wer hat von Eurer Abwesenheit gesprochen? Was kümmert mich Eure Abwesenheit, Herr Tuchhändler! Und hätte sie ein Jahrhundert gedauert, wäre sie mir doch nicht aufgefallen.«
    »Madame«, sagte ich in reuigem Ton, »vergebt mir, litt ich doch selbst zu sehr, daß ich Eures wunderbaren Anblicks solange beraubt war.«
    »Ihr spottet, Monsieur! Euer Leben entbehrt wunderbarer Anblicke durchaus nicht. Ich habe mich erkundigt: Es ist deren übervoll, in Paris sowohl wie in Saint-Denis und in Châteaudun. Weshalb Ihr in diesem letzten Vierteljahr allerdings keine Zeit erübrigen konntet, eine Dame zu besuchen, die man, so hoch sie auch stehe, wäre man boshaft, als alt bezeichnen könnte.«
    »Alt, Madame!« rief ich, und in dem Wissen, daß es vor Frauen eine Zeit gibt, zu gehorchen, und eine, nicht zu gehorchen, warf ich mich ihr zu Füßen und bedeckte ihre Hände mit inbrünstigen Küssen. Und, schöne Leserin, ich darf sagen, ich mußte mich auch nicht im mindesten zwingen: nichts da von Komödie. Man konnte Madame de Nemours in diesem Augenblick nicht inniger lieben, als ich sie liebte, und sie spürte es vermöge jener tiefen und feinfühligen Sympathie, die keiner Worte, nicht einmal der Blicke bedarf, um sich mitzuteilen.
    »Hört auf, Monsieur! Hört auf, oder Ihr ärgert mich!« sagte sie in einem so wenig ärgerlichen Ton, daß sie es selbst bemerkte, und weil sie keine Heuchlerin war, lachte sie darüber wie ein Nönnchen. Und da sie mir einen kleinen Klaps auf den Kopf gegeben, sank ihre Hand wie aus Versehen wieder auf meinen Schopf herab und blieb dort wie vergessen liegen, während ich fortfuhr, ihre Finger zu küssen, doch nun weniger ungestüm, damit die Sorge um Rang und Tugend ihre Züchtigkeit ja nicht alarmiere und den Zauber breche.
    »Madame«, sagte ich, um sie von solcher Gefahr abzulenken, »vergebt Ihr mir endlich mein Fernbleiben?«
    |405| »Nur, wenn Ihr es erklärt, Monsieur«, sagte sie.
    »Madame«, sagte ich, ohne den Kopf zu heben, um das köstliche Gewicht ihrer Hand auf meinem Haar nicht zu verlieren, »ich hatte Staatsaffären zu besorgen.«
    »Was heißt«, sagte sie nicht ohne Spitzigkeit, »daß Ihr Eure Kusine besuchtet, die schöne Kaufmannsfrau zu Châteaudun.«
    »Es mußte sein, des Geschäftes wegen. Doch blieb ich dort nur wenige Tage.«
    »Und dann in Saint-Denis, um Eure Samte und Seiden Mylady Markby feilzubieten, die Euch Wohnung gibt.«
    »Sie ist so gütig.«
    »Gütig? Ha, wer weiß bei einer Dame, die Navarra einen ›Glutofen‹ nennt, wo ihre Güte anfängt und endet?«
    »Das ist hübsch gesagt, Madame, darf ich es dem König wiederholen?«
    »Was? Ihr wagt es, ihn den König zu nennen? Nicht mehr Navarra? Meister Coulondre, Ihr seid Royalist geworden!«
    »Madame, der König hat sich bekehrt. Und was bedeutet es, ob ich royalistisch bin – das Volk ist es geworden! Ihr wißt wie ich, daß man ihm verbieten mußte, in Massen nach Saint-Denis zu strömen, um den König in der Messe zu sehen und ihm zuzujubeln.
Vox populi, vox dei.
«
    »Was bedeutet das Kauderwelsch?«
    »Volkes Stimme ist Gottes Stimme.«
    »Das doch wohl

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