Paris ist eine Messe wert
erwischen könnte.
|62| Kaum hatte man alle die Armen in den kalten, dunklen Lehm gebettet, wurde der Himmel schwarz. Und ein wütender Regen brach über uns herein, der uns bis auf die Haut durchnäßte, und sosehr wir nach dem hitzigen Gefecht getrieft hatten vor Schweiß, trieften wir nun frierend unter dieser Sintflut. In solchem Unbehagen, das Trauer und Müdigkeit auf die Spitze trieben, suchten wir nach einem Dorf oder einem Marktflecken, um uns auszuruhen und zu erfrischen. Da jedoch erhielt Monsieur de Châtillon die ernstliche Warnung, daß Mayenne, der von den aus dem Kampf Zurückgekehrten wußte, wo wir waren, uns mit zwölfhundert Berittenen verfolge. Ich wette, bei dieser Nachricht bereute Châtillon es bitterlich, die fünfhundert Arkebusiere nach Chartres vorausgeschickt zu haben. Auf keinen Fall durften wir Mayenne begegnen, so erschöpft, wie wir waren, und ohne Stoßdegen, ohne Pulver für die Pistolen, und die Pferde so müde, daß sie kaum einen Huf vor den anderen setzen konnten. Und trotzdem, da uns nichts anderes übrigblieb, als die ganze Nacht ohne Halt durchzureiten bis Beaugency, das königlich war, trugen uns die armen, wackeren Tiere taumelnd und strauchelnd noch bis dorthin.
Endlich, im Morgengrauen öffnete uns Beaugency seine Tore und, was das beste war, schloß und verriegelte sie hinter uns. Monsieur de Rosny und ich erreichten das Quartier, das man uns anwies, so ausgehungert, so ausgedörrt und mit so bleiernen Lidern, daß wir nicht wußten, welchem Bedürfnis zuerst nachgeben. Rosny, der seinen Junker La Vergne um Fleisch und Wein ausgeschickt hatte, sank auf das einzige Lager, das es dort gab, und ich warf mich daneben, bäuchlings alle beide, denn uns brannte und glühte der Hintern, schließlich waren wir einen Tag und zwei Nächte nicht aus dem Sattel gekommen. Kaum niedergelegt, fielen wir in einen so steinschweren Schlaf, daß es La Vergne und Miroul beim besten Willen nicht gelang, uns zu der bestellten Mahlzeit zu wecken, also schlangen sie selbst, was sie konnten, bevor sie auf den Fußboden sackten, ohne auch nur das Kettenhemd abzustreifen.
Gegen Mittag ließ uns der König von Navarra rufen, der in Beaugency eingetroffen war, und als wir, noch schwer von Müdigkeit, in sein Logis kamen, fanden wir Navarra in freundschaftlichem |63| Gespräch mit Châtillon, dessen Arm er bei unserem Anblick losließ, um Rosny und zu meinem Erstaunen auch mich zu umarmen.
»Ich habe von Euch gehört, Monsieur de Siorac«, sagte er mit seiner Gascogner Stimme. »Ihr habt Euch im Kampf zu Bonneval gut geschlagen! Kühn wie der Vater!«
»Zu kühn«, meinte Rosny lächelnd. »Man muß ihn zügeln.«
»Und das sagt Ihr, Rosny, mein Freund?« fragte Navarra, »Ihr, der Ihr immer der erste im Getümmel seid und der letzte, der es verläßt?«
»Ich ahme Euch nach, Sire«, sagte Rosny, indem er ein, wie ich hörte, gebräuchliches Spiel zwischen ihnen aufnahm, bei dem einer den anderen schalt, sich im Kampf zu weit vorzuwagen.
»Lassen wir das!« sagte Navarra. »Heute ist ein Freudentag! Soeben erfahre ich, daß der wackere La Noue, der eine königliche Armee befehligte, vor Senlis eine starke Armee der Liga vernichtet hat.«
»Vernichtet, Sire?« schrie Rosny freudestrahlend.
»Vernichtet und in die Flucht geschlagen! Der Herzog von Aumale und Balagny sind verwundet!«
»Und Maineville ist nach tapferem Kampf gefallen!« sagte Châtillon.
Navarra, der bemerkte, daß ich bei dem Namen Maineville aufhorchte, fragte mich, indem er mir seine Adlernase und seine scharfen Augen zuwandte, ob ich Maineville kenne.
»Persönlich nicht. Nur seinem Handeln nach«, sagte ich. »Maineville tauchte in sämtlichen Berichten auf, die ich vor dem Tag der Barrikaden durch den Geheimagenten Nicolas Poulain erhielt und die ich dem König überbrachte. Maineville war der Motor der ligistischen Umtriebe in Paris, so daß Seine Majestät den erbitterten Eiferer ›Maineliga‹ taufte.«
»Nicht schlecht«, sagte Navarra lächelnd. Doch schon bewegte ihn anderes. »Rosny«, fuhr er fort, »habt Ihr gehört, daß der König von seinen Räten gedrängt wird, die Bretagne zurückzuerobern?«
»Ich hörte es, Sire«, sagte Rosny.
»Ha! Ich rase!« sagte Navarra und stapfte auf seinen Gebirglerbeinen hin und her durch den Raum. »Ich rase, Rosny! Es ist Torheit! Pure Torheit! Der König wird seine Kräfte nutzlos vergeuden! |64| Um sein Reich zurückzugewinnen, gibt es nur eines: die Brücken von
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