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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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daß der König die Hoffnung nährte, die Pariser Royalisten würden ihm die Tore der Hauptstadt öffnen, weshalb man diese gleich zu Beginn der Belagerung in großer Zahl eingekerkert hatte.
    Nun war aber die Stadt von den Armeen der beiden Könige umzingelt, und Jacques Clément sollte durch die königlichen Vorposten gelangen, ohne abgewiesen oder festgenommen zu werden. So kam die Montpensier darauf, Clément zu Graf von Brienne zu schicken, der zwar auch Royalist, aber ein lauer und lässiger war und als solcher die Gunst genoß, nicht in der |94| Bastille einzusitzen, sondern in einem Gemach im Louvre, umgeben von Dienerschaft, Kaplan und Sekretär.
    Gut instruiert von der Montpensier, ging also der kleine Jakobiner dorthin und verlangte einen Paß, um angeblich in Ordensdingen nach Orléans zu reisen. Der Sekretär wollte ihm das Schriftstück verweigern, der Kaplan jedoch beharrte darauf, daß er es ausstelle; da es sich um einen Geistlichen handele, sagte er, werde Monsieur keine Einwände machen. Und, in der Tat, Bruder Jacques trat mit dem Paß vor den Grafen, der soeben sein Mahl beendete und das Dokument, ohne viel zu fragen, unterschrieb, so vertrauenswürdig erschien ihm der kleine Frater.
    Ein eifernder Narr, eine Kutte, ein gefälschter Brief, ein echter Paß – aus solcherlei Bestandteilen komponierte die Guise-Schwester ihren Königsmord. Wie die Wege Gottes, so sind auch die Wege des Bösen schlicht, vor allem, wenn die Schlichtheit des Werkzeugs hinzukommt. Wer hätte diesem kümmerlichen, unterwürfigen, kniefälligen Mönch mißtraut, der die Augen niederschlug und die Hände in seinen weiten Ärmeln vergrub – in welchen er immerhin ein Messer versteckt hatte?
     
    Jacques de La Guesle, Königlicher Rat und Generalprokurator des Hohen Gerichts, war einer jener loyalen Royalisten, die, nachdem der Tag der Barrikaden den König aus Paris vertrieben hatte, diesem bis nach Tours gefolgt waren, und in Glück und Unglück an ihn gebunden, gelangte er mit den Armeen Seiner Majestät auch nach Saint-Cloud. Nun besaß Monsieur de La Guesle, der Pariser war (und dessen Stadthaus die Liga nach seinem Fortgang ebenso geplündert hatte wie meines), auch ein Landhaus nahe dem Dorf Vanves im Süden der Hauptstadt. Und als er am 30. Juli vom König Urlaub erhielt, um nachzusehen, ob es nicht ebenfalls geplündert worden war, sei es durch Ligisten, sei es durch die hugenottischen Soldaten, welche die Gegend besetzt hatten, konnte er zu seiner Freude feststellen, daß die Wachsamkeit seiner Nachbarn ihm sein Anwesen heil bewahrt hatte. Haus und Garten waren unberührt, Heu und Ernten eingebracht und die Tiere gesund. Nachdem Monsieur de La Guesle, den sein Bruder Alexandre begleitete, beglückt in seinem geretteten Haus geschlafen, seinen guten Nachbarn am Morgen tausend Dank gesagt und sie dem hugenottischen |95| Offizier wärmstens empfohlen hatte, saß er auf und ritt mit seinem Bruder die Straße nach Saint-Cloud, die bekanntlich über Issy und Vaugirard führt.
    Damals kannte ich Monsieur de La Guesle noch nicht, ich lernte ihn erst zwei Jahre darauf näher kennen, als der Königliche Rat Freundschaft zu mir faßte, nachdem ich ihm beiläufig anvertraut hatte, daß mein Großvater Apotheker gewesen war, mein Vater sich den Adel unserer Familie auf den Schlachtfeldern erworben hatte und ich selbst ein unbemittelter Nachgeborener, reicher an medizinischer Wissenschaft als an Geld gewesen war, bevor der König mich für verschiedene, ihm erwiesene Dienste zum Baron erhob.
    Die Geschichte gefiel Monsieur de La Guesle, denn sein Großvater, ein Tuchhändler, hatte Taler um Taler zusammengespart, um seinem Vater ein Amt zu kaufen, und der wiederum hatte sich daran so bereichert, daß er ihm, de La Guesle, bei seinem Tod hatte erlauben können, sich dasjenige zu kaufen, das er nun mehr bekleidete und das ihm den Amtsadel eingebracht hatte, auf den er sehr stolz war. Und seit er wußte, daß ich derselben arbeitsamen Schicht wie er entstammte, bewunderte er mich doppelt, als Arzt wie als Baron.
    Vom Äußeren her war Monsieur de La Guesle ein ernster Mann, der seine Worte bedachtsam setzte, vorsichtig und langsam in seinem Auftreten war, einen schwarzen Vollbart und an einer Kette unter der strengen, kleinen Halskrause einen silbernen Chronometer trug, welchen er oft zu Rate zog. Lange sträubte er sich, mir seine Begegnung mit Jacques Clément an jenem 31. Juli zu erzählen, weil er sich stets aufs neue bitter

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