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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Mönch und schrie: ›Ha, Schuft! Du hast mich getötet!‹ Und jählings riß er das Messer aus seinem Unterleib – wieder schoß das Blut – und stach dem Jakobiner damit ins Gesicht und in die Brust.
    Was mich anging, so überwand ich erst jetzt die Starre, in welche ich durch die plötzliche Brutalität dieser unerhörten Tat verfallen war, stürzte mich auf den Mörder, und mit La Guesle, der mit dem Degen auf ihn zielte, warfen wir ihn in die Gasse zwischen Heinrichs und Du Haldes Bett, während der König stand und die Hände auf seine Eingeweide preßte, die aus dem Bauch hervorquollen, und mit einem wie vor Grauen versteinerten Gesicht schrie: ›Ha, Schurke! Was habe ich dir getan?‹
    Ach, Siorac, mein Freund! Es war ein einziges Geschrei und Durcheinander, vom Gang stürzten die ›Fünfundvierzig‹ herein wie entfesselte Doggen, massakrierten den Mönch mit Degenstichen und warfen ihn aus dem Fenster, Monsieur de Bonrepaus rannte brüllend umher: ›Oh, mein Gott! Wer hat den Elenden hergebracht!‹ Und der arme La Guesle schrie wie wahnsinnig: ›Ich war’s! Ich war’s! Das überlebe ich nicht! Man soll auch mich töten!‹
    |104| Ha, mein Freund, mein Freund!« fuhr Bellegarde fort, indem er seinen Kopf an meinen lehnte, als wäre er vor grenzenlosem Gram zu schwer, ihn allein zu tragen, »gestern war er noch so glücklich! Wie freute sich Heinrich, bald nach Paris und in den Louvre zurückzukehren! Und heute solch eine Trauer!«
    »Bellegarde«, sagte ich, »bitte, faßt Mut. Noch weiß niemand, ob die Wunde verhängnisvoll sein wird, die Ärzte haben sich noch nicht ausgesprochen.«
    »Ihr habt recht«, meinte Bellegarde, »warten wir die Diagnose ab.«
    Wir brauchten nicht lange zu warten, die Tür des königlichen Gemachs ging auf, und mit undurchschaubarer Miene erschien Antoine Portail, begleitet von Pigret und Le Febre.
    »Ehrwürdiger Doktor!« rief Bellegarde, indem er ihm entgegeneilte und ihn bei den Schultern faßte, »wie steht es mit der Wunde des Königs?«
    »Ich habe sie untersucht«, sagte Antoine Portail, ein großer, beleibter Mann mit buschigen schwarzen Brauen und durchdringendem Blick, »und habe sie zugenäht«, setzte er hinzu, ohne mit einer Wimper zu zucken. »Monsieur de Bellegarde, der König braucht jetzt unbedingte Ruhe, und, um Gottes Willen, keine Aufregung, kein Weinen, kein Geschrei der Seinen.«
    »Aber, wie steht es um sein Leben?« rief Bellegarde.
    »Es besteht keine Gefahr, wenn nicht eine Infektion hinzukommt«, sagte Portail mit einem Seitenblick zu Pigret. »Ich habe dem König gesagt, daß er in zehn Tagen wieder im Sattel sitzen wird.«
    »Gott sei gelobt!« sagte Bellegarde, ließ den Chirurgen los und eilte ins Gemach seines Herrn.
    »Monsieur Portail«, fragte ich leise, indem ich zu ihm trat, »wollt Ihr einem Kollegen die Wahrheit sagen?«
    »Gewiß«, sagte Portail nach einem sichernden Blick in die Runde gedämpft und auf lateinisch, »die Därme sind an zwei Stellen durchbrochen. Ich fürchte, der Patient wird kaum zu retten sein.«

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    |105| VIERTES KAPITEL
    Der Leser wird sich erinnern, daß ich ein Jahr nach der Ermordung des Königs den Großprior fragte, was Seine Majestät wohl damit gemeint habe, daß er »eine Brücke sein solle zwischen ihm und seinen Feinden«. Nun, nachdem der Großprior mir hierauf geantwortet hatte, ohne daß er seinen aufsteigenden Tränen hatte wehren können, riß ihn seine schmerzliche Erinnerung weiter fort, wahrscheinlich erleichterte es seinen Gram, den Unheilstag aufs neue zu berufen.
    »Ach, Siorac!« sagte er, indem er meine Hand ergriff, »in diesem ganzen Jahr verging kein Tag, an dem ich die erbärmliche Blindheit des Menschen hinsichtlich der Zukunft nicht verwünschte. Hätte ich diesen Mönch, als ich ihm am Abend vor der Mordtat begegnete, sonst eine Sekunde länger am Leben gelassen? Und hätte ich, nachdem der König mich beurlaubt hatte, um seinen Musikanten zu lauschen, mit meinen Edelleuten noch bis tief in die Nacht hinein gespielt? Um erst in der Frühe ins Bett zu gehen und zu schlafen – zu schlafen, Siorac, als das Entsetzliche geschah! Ah, Siorac, Ihr glaubt gar nicht, wie bitter dieser Schlaf mich reut!«
    »Monseigneur«, sagte ich, »auch wenn Ihr in jenem Moment beim König gewesen wärt wie Bellegarde und La Guesle. Ihr hättet nicht mehr tun können.«
    »Mag sein«, sagte er, aber seine Miene verriet, daß er sich in der Illusion wiegte, seine bloße Gegenwart hätte den

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