Paris ist eine Messe wert
beschleunigte sein Ende nur. Heinrich war nicht zu retten, weil der Darm durchbrochen war, und die Medizin kennt kein Beispiel, daß ein Mensch in solch einem Fall überlebt hätte.«
»Gottlob!« sagte der Großprior und senkte die Stirn, »ich hätte nicht auch noch mit diesem Zweifel leben wollen. Das übrige kennt Ihr wie ich, Siorac, denn im nächsten Augenblick betratet Ihr an meiner Seite das königliche Gemach.«
»Nein, Monseigneur«, sagte ich, »denn ich verließ es sogleich wieder, weil der König mir und Monsieur de Ventajoux |108| befahl, Navarra zu benachrichtigen und ihn nach Saint-Cloud mitzubringen. So war ich zwei volle Stunden fort, sosehr ich mich auch beeilte.«
»Diese zwei Stunden«, sagte der Großprior nach einem Schweigen, »belebten unsere Zuversicht. Ich begann sogar an Portails Aussage zu zweifeln, denn der König schien kaum zu leiden, und seine Stimme klang fest und klar, als er nach der Messe, die ihm sein Almosenier Boulogne gehalten hatte, in Gegenwart aller ein Gebet an seinen Schöpfer sprach.«
Leser, erlaube mir nun, den Großprior in seiner Erzählung abzulösen, denn der denkwürdigen Szene zwischen dem sterbenden König und seinem Thronerben Navarra wohnte ich selbst bei, einerseits als der getreue Diener meines geliebten Herrn – um in seine Dienste zu treten, hatte ich »die Segel gestrichen« und mich zum Papismus bekehrt –, andererseits als Hugenotte, der ich im Herzen geblieben war und der sich den Interessen seiner verfolgten Brüder verpflichtet fühlte und wünschte, daß sie mit denen des Reiches in Einklang gebracht würden, wie es sowohl der König als auch Navarra wollten.
Monsieur de Ventajoux und ich hatten einige Mühe gehabt, Navarra zu finden. Wir trafen ihn im Vorort Saint-Germain, fast vor den Wällen von Paris, wo er sich der Priesterwiese zu bemächtigen suchte, um von dort weiter gegen die Stadtmauern vorzurücken. Beim ersten Wort, das Monsieur de Ventajoux ihm ins Ohr raunte, schrak Navarra zusammen, doch faßte er sich schnell und sagte zu Monsieur de La Trémoille, dem Befehlshaber seiner leichten Reiterei, er solle das Scharmützel einstellen und die Truppen in guter Ordnung zurückziehen, er selbst müsse zum König nach Saint-Cloud. Worauf er sein Pferd wendete und, von nur zehn Edelleuten begleitet, mit einer Geschwindigkeit losgaloppierte, daß sogar mein Pegasus – wie ich meine in Châteaudun gekaufte Stute getauft hatte – kaum folgen konnte, von dem armen Ventajoux auf seinem behäbigen Ungarn ganz zu schweigen.
Es ging auf elf Uhr, als Navarra beim König eintrat, der sich in der Zwischenzeit sehr verändert hatte, sein Gesicht war vom Leiden gezeichnet und seine Stimme tonlos geworden. Ich sah, wie er sich immer wieder mühte, zu Atem zu kommen, und leise fragte ich Doktor Le Febre, ob man die Spülung vorgenommen |109| habe, was der Kollege mit Bedauern bejahte (er war wie ich dagegen gewesen).
Der König bot Navarra die Hand, der sie kniefällig küßte und während des Folgenden so verharrte; ehrfürchtig weigerte er sich, Platz auf dem Schemel zu nehmen, den Seine Majestät ihm bezeichnete.
»Mein Bruder«, sagte Seine Majestät, »Ihr seht, was meine Feinde mir angetan, die auch die Euren sind. Gebt acht, daß sie Euch nicht Gleiches antun.«
»Sire«, sagte Navarra, »es schmerzt mich sehr, Euch so darnieder zu sehen. Aber die Ärzte sagen, daß Ihr in zehn Tagen wieder im Sattel seid.«
»Möge Gott sie erhören«, sagte der König, »wenn Er sie nicht erhört, wird es an Euch sein, mein Bruder, das Erbe anzutreten, das ich Euch mit vielen Mühen zu sichern versuchte. Die Frucht dieser Mühen ist der Zustand, worin Ihr mich seht. Doch bereue ich nicht, auf dem Recht bestanden zu haben, wonach Ihr mir nachfolgt im Reich. Trotzdem, mein Bruder (da bei rang er nach Luft und blickte Navarra eindringlich an), werdet Ihr großem Widerstand begegnen, wenn Ihr Euch nicht entschließt, die Religion zu wechseln. Ich fordere Euch dazu auf sowohl um Eures Seelenheils wie um des Heils willen, das ich Eurer Herrschaft wünsche.«
Da ich auf der anderen Seite des Bettes stand, konnte ich Navarra gut beobachten und sehen, daß er sich in großer Bedrängnis fühlte, weil er sich vor dem König weder zu seiner Bekehrung verpflichten noch einer so feierlichen Aufforderung widersprechen, noch auch zu lange schweigen wollte.
»Sire«, sagte er schließlich, indem er das Thema der Religion geschickt umging, »gebe Gott, daß jener
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