Paris ist eine Messe wert
Seiner Majestät war, ein schöner Mann, sehr beliebt bei den Damen, trotzdem ernsthaft und verschwiegen und von erprobter Königstreue. Kurz, ein in allen Punkten vollendeter Edelmann, hätte ihm nicht, wie dem Narren Chicot, in den Wintermonaten ständig ein Tropfen an der Nase gehangen und sein Wams bedroht, was den König fürchterlich reizte, so daß er ihn fortwährend schalt, sosehr er ihn auch liebte und schätzte.
Ich traf Bellegarde einige Minuten nach dem Attentat im Vorzimmer des Königs, während die Chirurgen Portail und Pigret, assistiert von dem Arzt Le Febre, im Schlafgemach die Wunde untersuchten, die Cléments Messer dem König zugefügt hatte. Der Zutritt zum königlichen Gemach wurde mir durch sechs Wachhabende der »Fünfundvierzig« verwehrt, die |100| mich zwar kannten, doch nicht als Arzt Seiner Majestät, denn in Blois, wo ich mich, wie erzählt, unter sie gemischt hatte, war meine Rolle eine ganz andere gewesen. Und weil ich mir sagte, daß ich bei der Untersuchung ohnehin nicht von Nutzen wäre, weil ich kein Chirurg war, beharrte ich nicht weiter und begab mich in eine Fensternische, wo Bellegarde stand und heiße Tränen weinte. Selbst von Ängsten bedrückt, legte ich ihm den Arm um die Schultern und versuchte ihn zu trösten. Nach einer Weile hielt er in seinem hemmungslosen Schluchzen inne und fragte mich, ob ein Mensch von einem Messerstich in den Unterleib genesen könne.
Worauf ich bis ins Innerste erschrak, denn bisher hatte ich über die Verwundung des Königs nichts erfahren können. Doch sosehr die unheilvolle Auskunft, die Bellegarde mir gab, mich auch erschütterte, wollte ich doch seine Angst und Verzweiflung nicht noch vergrößern.
»Ja«, sagte ich, »man kann davon genesen, wenn die Därme nicht durchstoßen sind.«
»Gelobt sei Gott!« rief Bellegarde hierauf, und sein tränenüberströmtes Gesicht erhellte sich jäh, »dann ist Heinrich gerettet! Denn gleich nach der Tat sah ich mit diesen meinen Augen, wie er mehrmals seine Wunde betastete und erklärte, daß sein Gedärm nicht berührt sei. Übrigens leidet er nicht, und ich hörte ihn zum Großprior sagen, der als letzter hinzukam: ›Die Hunde wollten mich umbringen, aber Gott hat mich vor ihrer Bosheit beschützt: Es ist nichts weiter.‹«
Und als ich sah, daß Bellegarde sich beruhigte und in der Lage war zu reden, fragte ich ihn, wie die Sache hatte passieren können, da Heinrich doch im Schutz seiner »Fünfundvierzig« lebte, deren einige sogar auf dem Gang vor seinem Gemach schliefen und Du Halde sogar auf einem Feldbett neben dem königlichen Lager.
»Ach!« sagte Bellegarde, »schuld ist einzig und allein Heinrichs ewige Gutmütigkeit. Nur die hat ihn getötet – oder vielmehr verwundet!« verbesserte er sich erblassend, so als fürchte er, seine wiedererwachte Hoffnung durch ein Wort von böser Vorbedeutung zu beschädigen.
»Ihr wißt ja, Siorac«, fuhr er fort, »daß ich es bin, der am Abend den Vorhang der königlichen Bettstatt schließt und der ihn am Morgen aufzieht. Du Halde würde sich hüten, dies zu |101| tun, auch wenn er Erster Kammerdiener ist, denn er weiß genau: das ist mein Vorrecht. Und weil der König mich gestern abend, als er seine Musikanten entließ, geheißen hatte, ihn heute, am ersten August, um sieben Uhr zu wecken, betrat ich pünktlich um sieben sein Gemach und wollte die Vorhänge aufziehen, als Du Halde sich von seiner Pritsche erhob und mir zuraunte, ich solle es lassen, der König schlafe noch fest, und er werde mich rufen, sobald er erwache.
Ich verließ also die Gemächer, und weil der Himmel klar war und die Sonne schon schien, ging ich in den Garten, die Morgenfrische zu atmen. Dort sah ich La Guesle mit diesem Monster von Mönch einherwandeln, der mir aber gar nicht wie ein Monster erschien. Klein und schmächtig, schwatzte er mit einem Lakaien und aß mit ihm Haselnüsse, deren Schale er zwischen zwei Steinen knackte. Und als La Guesle mir zuraunte, wer das sei, woher er komme und daß er den König sprechen wolle, betrachtete ich ihn aufmerksamer und fand nichts Auffälliges an ihm außer den Augen, die groß, schwarz und sehr blank waren. Denn im übrigen wirkte er so nichtig, daß niemand sich hätte vorstellen können, daß ein solcher Hänfling den Thron eines großen Reiches zu erschüttern vermochte. Aber, Gott sei Dank, wird daraus nichts! Bald ist Heinrich wieder im Sattel, seine Därme sind ja nicht getroffen.«
»Gebe es Gott, Bellegarde!«
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