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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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König beschützen können. Und Gott weiß, wie sehr der Großprior Heinrich liebte, der ihm, der mit einem Jahr den leiblichen Vater verloren hatte, Onkel und Vater in einem gewesen war. »Siorac«, fuhr er fort und drückte heftig meine Hand, »es bleibt dabei, daß ich geschlafen habe, als dieser verruchte Mönch meinem einzigen Verwandten auf dieser Welt 1 sein Messer in den Leib stieß, |106| und daß ich erst gegen acht Uhr erwachte, als ein Diener mir in die Ohren brüllte, man habe ein Attentat auf den König verübt! Angekleidet, wie ich eine Stunde zuvor eingeschlafen war, stürzte ich zum Palast Gondi, vor dem alles schreiend und weinend durcheinanderlief und keiner eine Auskunft gab, die nicht in Schluchzen erstickte.
    »In unglaublicher Wirrsal gelangte ich zum Tor, doch die Wachen, selbst außer sich vor Schmerz und Zorn, hätten mich nicht einmal eingelassen, wäre nicht zufällig Larchant vorbeigekommen. Und als ich mit ihm den Hof überquerte, wo wir beide am Vorabend auf diesen Dämon im geistlichen Gewand getroffen waren, da sah ich ihn – ein schrecklicher Anblick – blutig und wie zerbrochen auf dem Pflaster liegen, woraus ich schloß, daß niemand anderer als er der Mörder gewesen war, den man nach der Tat erschlagen hatte. Larchant folgend, der mir den Weg bahnte, kam ich an den ›Fünfundvierzig‹ vorüber, die den Degen blankgezogen, auf der Treppe Wache hielten, mit den Zähnen knirschend, fluchend, aufgelöst in Tränen. Ja, Siorac! diese rauhen Männer weinten. Aber könnt Ihr Euch danach meinen Verlust vorstellen und meinen Schmerz? Und wie mir zumute war, als ich das königliche Gemach betrat und den König auf seinem Bett liegen sah, noch unverbunden, den Bauch über und über voll Blut und mit der klaffenden Wunde! Sein Gesicht war sehr bleich, aber ruhig und gefaßt.
    ›Mein Sohn‹, sagte er, als ich mich vor ihm niederwarf, ›mein Sohn‹, und seine Stimme war wie immer wohlartikuliert, ›die Hunde wollten mich umbringen, aber Gott hat mich beschützt: es ist nichts weiter.‹
    »Und weil ich diese Worte (die mich doch trösten sollten) mit hemmungslosem Schluchzen erwiderte, hoben François von O und Bellegarde mich an den Armen hoch und führten mich in eine Fensternische, wo François von O mit leiser Stimme auf mich einsprach und mich ermahnte, meine Tränen zu zügeln, um Seine Majestät nicht zu betrüben. Und als ich endlich inne wurde, daß sie mir zur Vernunft rieten, mühte ich mich, mein Entsetzen über den Verlust, der mich traf, in Schranken zu halten, doch ich wußte wirklich nicht, was aus mir werden sollte, wenn ich nun zum zweitenmal verwaiste. In solchen Gedanken kauerte ich, mein verweintes und kummervolles Gesicht verbergend, die ganze Zeit in besagter Nische, |107| während Portail und Pigret die Wunde des Königs untersuchten.
    Doch als dies getan und der Verband angelegt war und ich sie ins Vorzimmer gehen sah, schlich ich ihnen nach, und hinter Portail verhaltend, hörte ich zuerst mit Freude, was er zu Bellegarde sagte, und dann, was er leise zu Euch auf lateinisch sagte und was ich leider nur zu gut verstand. Doch mein Latein reichte nicht aus, um alles zu verstehen, was zwischen Portail und Euch und den anderen Ärzten besprochen wurde, ich begriff nur, daß Ihr gegen eine Spülung wart, welche die anderen beim König vornehmen wollten, aber nicht, aus welchen Gründen Ihr davon abrietet.«
    »Nun ja«, sagte ich mit dem Unbehagen, die Meinungen meiner ehrwürdigen Kollegen erörtern zu sollen, »solche Konsultationen über die Behandlungsweise sind unter Ärzten üblich. Müssen wir darüber reden?«
    »Ich bitte darum«, sagte der Großprior im Ton eines Prinzen, der, sei er auch noch so liebenswürdig, Gehorsam heischte.
    »Da Portail gesagt hatte, daß die Därme verletzt seien, gab ich zu bedenken, daß das eingeführte Wasser den Darminhalt durch die Spalte in die Bauchhöhle drücken könnte, so daß eine Infektion eintreten und das Blut vergiften würde. Und obwohl Le Febre mir zustimmte, meinten hingegen Dortoman, Régnard und Héroard, der Darm müsse auf jeden Fall von der Fäkalmaterie gereinigt werden, damit die Wunde heilen könne.«
    »Und wer hatte recht?« fragte der Großprior.
    »Sie, wenn die Darmwände nicht verletzt gewesen wären. Ich, leider, weil sie es waren.«
    »Ha, Siorac!« rief der Großprior bestürzt, »meint Ihr, daß die Behandlung schuld war am Tod des Königs?«
    »O nein«, sagte ich, »das nicht! Sie

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