Paris ist eine Messe wert
Majestät erlangt hätte, weil der König eine Vorliebe für Mönche hatte.«
»Schon richtig«, sagte er, »aber ist es für mich nicht ein erdrückendes Gefühl, daß ich ihn mit in meine Wohnung nahm und an jenem Abend des 31. Juli gewissenhaft und bis ins einzelne verhörte, ohne in seiner Geschichte die kleinste Ungereimtheit zu entdecken, ohne seinen mörderischen Plan irgend zu erraten?«
»Ha, Monsieur!« sagte ich, »nichts lernt man in einem Kloster so gut wie Verheimlichen, weil man jeden Augenblick von den anderen Mönchen ausgespäht wird und der Inquisition des Priors unterliegt.«
»Das ist wohl wahr«, meinte Monsieur de La Guesle, »aber mich derart hereinlegen zu lassen, ich, der Königliche Generalprokurator |98| des Hohen Gerichts, und von einem geistlosen kleinen Mönch, das kann ich doch schwer verwinden!«
»Geistlos, sagt Ihr?«
»Nun, schlicht eben. Anscheinend, dachte ich, hatten die Royalisten, die ihn sandten, keinen anderen gefunden. Aber wie hätte ich mir vorstellen sollen, daß er gar nicht von Präsident Du Harlay kam, da er mir den Brief zu lesen gab, dessen Schrift ich doch erkannte? Und trotzdem begnügte ich mich damit nicht. Ich drehte und wendete Clément lange auf dem Rost meines Verhörs, aber er hatte auf alles eine Antwort! ›Pa ter ,‹ fragte ich, ›wann genau habt Ihr den Gerichtspräsidenten gesehen?‹
›Vorgestern. Und ich sah in der Bastille auch Monsieur René le Rouillet, Domherr der Sainte-Chapelle und Gerichtsrat. Und auch Paul Portail, den Sohn des königlichen Leibchirurgen Antoine Portail.‹
›Und wie kamt Ihr in die Bastille?‹
›Durch Madame Portail. Sie schickte mich mit Nachrichten zu ihrem Sohn, weil sie als Verdächtige nicht eingelassen wird.‹
Worauf ich«, fuhr Monsieur de La Guesle fort, »Antoine Portail rief und ihm sagte: ›Monsieur, hier ist ein Geistlicher, der Euch Nachrichten von Eurer Familie in Paris geben kann.‹
›Wahrhaftig, Pater?‹ rief der Chirurg, ›Ihr habt meine Frau gesprochen?‹
›Zwei- oder dreimal‹, sagte Clément, ›weil ich ihr Worte und Botschaften Eures Sohnes Paul überbrachte, dem es in der Bastille geht, wie es gehen kann. Und was Eure Gemahlin betrifft, so lebt sie in Kummer und Bedrängnis. Zu alledem hat sie einem Eurer Pächter noch fünfhundert Ecus auszahlen müssen, weil er den Hof verläßt, den er für Euch bei Paris bewirtschaftet hatte.‹
Ein wahres Detail, mein Freund«, fuhr La Guesle fort, »ab solut wahr und von Portail bestätigt, das mich in der Überzeugung bestärkte, daß Clément weder ein Hochstapler noch ein Spion war und man seinen Reden vertrauen könne, sei er auch schlichten Geistes. Und was er dem König zu sagen hatte, schien mir von höchster Wichtigkeit. Angeblich ließ Präsident Du Harlay Seiner Majestät vermelden, daß die Royalisten in Paris nahe daran seien, ein Tor in ihre Hand zu bringen, um ihn in die Stadt einzulassen. Tor, Tag und Stunde wollte Clément |99| allein dem König nennen, nur dem König allein und ohne Zeugen. Davon wich er nicht ab. Ach, mein Freund, mein Freund!« sagte Monsieur de La Guesle, indem er die Augen zu mir hob, die in Tränen schwammen, »was hätte ich tun sollen? Was hättet Ihr an meiner Stelle getan?«
»Genau das, was Ihr tatet, Monsieur«, sagte ich, »wußte ich doch ebenso wie Ihr, daß der König von einer royalistischen Verschwörung in Paris unterrichtet war, die ihm ein Tor ausliefern wollte, und daß er fieberhaft auf Nachrichten wartete.«
»Um neun Uhr«, sagte Monsieur de La Guesle, indem er wiederum nach seiner Uhr griff, »um neun Uhr abends, als ich Seine Majestät beim Souper aufsuchte, erzählte ich ihm die Geschichte. Er sagte, daß er Clément empfangen werde, doch nicht mehr an diesem Abend, weil er nach beendetem Mahl den Großprior besuchen wolle. Ich solle ihn am nächsten Morgen zu ihm bringen, um acht Uhr, er wolle ihn vor allen anderen Geschäften als ersten anhören.«
Hierauf verstummte Monsieur de La Guesle, ruhig und gefaßt, nur tieftraurig, und starrte ins Feuer. In der Erwartung, daß er fortfahre, schwieg auch ich, und so blickte er mich denn wieder an.
»Das übrige brauche ich Euch nicht zu erzählen«, sagte er in unwirschem Ton, »Ihr habt es von Monsieur de Bellegarde gehört, der ebenso wie ich bei der Mordtat zugegen war.«
Wenn der Leser sich jetzt ins Gedächtnis ruft, was ich von den Ereignissen zu Blois erzählt habe, weiß er, daß Monsieur de Bellegarde der Rittmeister
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