Paris ist eine Messe wert
von Euch besagte Tag niemals kommt! Es ist ganz unwahrscheinlich, daß Ihr an solches denken müßt, Eure Wunde ist beizeiten verbunden worden und wird bald geheilt sein.«
Worauf der König mit ernster Ruhe den Kopf schüttelte und auf alle die Herren blickte, die in großer Zahl in seinem Gemach versammelt waren – wird doch jegliches Private eines Königs notwendig zur öffentlichen Sache, ob seine Geburt oder sein Tod.
»Meine Herren, tretet näher«, sagte er.
Und während er geduldig wartete, daß sie gehorchten und |110| die Geräusche verstummten, die ihr Gehorchen mit sich brachte, strengte er sich an, seine Schmerzen zu übertönen, und sprach daher mit höherer Stimme, als er wohl wollte.
»Meine Herren«, sagte er, »hört meine letzten Gebote, die Ihr befolgen sollt, wenn es Gott gefällt, mich aus dieser Welt abzuberufen. Ihr wißt, wie ich, um meinen völligen Ruin und den Umsturz des Staates zu verhindern, in Blois gezwungen war, gegen meine Feinde mit der unumschränkten Autorität voranzugehen, welche die Vorsehung mir über sie verliehen hat. Doch weil die Wut, die sie deshalb faßten, erst durch den Mordanschlag auf meine Person gestillt werden konnte«, und hier legte der König eine Pause ein, um danach mit einer Stimmkraft fortzufahren, die alle Anwesenden erstaunte, »so bitte ich Euch als meine Freunde und befehle Euch als Euer König«, hier machte er wiederum eine Pause, »daß Ihr nach meinem Tode diesen meinen Bruder hier anerkennt. Daß Ihr ihm die gleiche Liebe und Treue bezeigt, wie Ihr sie mir allezeit bezeigtet, und daß Ihr, um meiner Zufriedenheit und Eurer Pflicht willen, ihm jetzt in meiner Gegenwart huldigt.«
Worauf alle die versammelten Adligen einmütig gehorchten und, wenn auch unter Ächzen und Stöhnen, mit einer Stimme den verlangten Treueid ablegten – den leider mehr als einer nur zu bald brechen sollte. Und Navarra, der sich erhoben hatte, nahm ihre Huldigungen entgegen, und Tränen strömten über sein gegerbtes Gesicht.
Um zum Ende zu kommen und sich endlich seinen Leiden zu ergeben, erteilte Seine Majestät letzte Befehle.
Navarra sollte sämtliche Truppen visitieren und La Trémoille ermahnen, die Stellung zu halten. Sancy sollte sich ins Quartier der Schweizer begeben und der Marschall von Aumont in das der Deutschen, damit die einen wie die anderen nach seinem Tod unverrückbar zu seinem Nachfolger stünden.
Diese Befehle wurden mit fester Stimme gegeben, und nichts daran verriet, daß ihr Träger im Sterben lag. Doch sowie dies gesprochen war, zog sich Heinrich gleichsam in seinen leidenden Körper zurück. Er entließ die anwesenden Herren, bis auf seine Ärzte, Bellegarde, Epernon und den Großprior. Letzterer kniete am Ende seines Bettes und hielt seine Füße umfangen. Als krampfhafte Bewegungen der Zehen bezeugten, daß der Patient große Schmerzen litt, flößten wir ihm eine Dosis |111| Opium ein, und er schlummerte eine Stunde. Von da an bis Mitternacht entwich die natürliche Wärme allgemach seinem Leib. Nachdem Heinrich noch einmal zu sich gekommen war und in wenigen Worten seinem Almosenier Boulogne gebeichtet hatte, sank er gegen zwei Uhr morgens erschöpft auf sein Lager, bekreuzigte sich zweimal und verschied.
Wir alle warfen uns auf die Knie, der Großprior aber in seiner Jugend und hohen Empfindsamkeit schlug längelang wie entseelt zu Boden. Auf Befehl Bellegardes, der ihn sehr mochte, betteten ihn Diener auf eine Trage und brachten ihn in sein Quartier. Und weil Bellegarde mich bat, ihn zu begleiten, so folgte ich nach und bemühte mich, ihn aus seiner Ohnmacht zu erwecken. Als er endlich wieder zu Besinnung und Farbe kam, fragte er mich verstört, ob es wahr sei, daß der König tot war. Und als ich es ihm bestätigte, warf er sich in meine Arme und schluchzte wie ein Kind.
In Frankreich »ergreift der Tote den Lebenden«. Schöne Leserin, ich bitte Sie, sich dem dunklen Ausdruck nicht zu verschließen, sondern geduldig abzuwarten, bis ich ihn erklärt und Sie der Unwissenheit enthoben habe, der Sie von Ihrem Vater oder Ihrem Gatten überlassen wurden.
»Moussu«, sagte mein Sekretär Miroul, als er die bisherigen Seiten mit seiner feinen Hand in Reinschrift übertrug, »was für eine seltsame Parteilichkeit! Ihr macht Euch bei Vätern und Gatten unbeliebt, um Jungfern und Gattinnen desto mehr zu schmeicheln!«
»Das hat einen einfachen Grund, Miroul«, sagte ich seufzend, »mich erfreut der Gedanke, daß schöne Augen mich
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