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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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lesen.«
    »Oho, Moussu!« rief Miroul, »wie Ihr seufzt! Denkt Ihr bei ›schönen Augen‹ nicht an die schöne Kaufmannswitwe?«
    »Miroul«, sagte ich stirnrunzelnd, »wenn du mein Page wärst und ich dein Aufseher, trüge dir dein Verhör eine Tracht Prügel ein.«
    »Ha, Moussu!« sagte Miroul lachend, »was für ein heuchlerischer Zorn! Als ob ich, der ich tagtäglich mit Euch lebe, nicht wüßte, daß ›schöne Kaufmannswitwe‹ und ›schöne Augen‹ bei Euch ein für allemal dasselbe sind!«
    Worauf ich die Achseln zuckte und mich wieder in besagte |112| Gedanken an meine Leserinnen vertiefte, um ihnen zu erklären, daß im französischen Königreich, besonders wenn es sich um Könige handelt, »der Tote den Lebenden ergreift«.
    »Wie kann er ihn denn ergreifen, Monsieur, wenn er tot ist?«
    »Er ergreift ihn, Madame, in Gestalt seiner Güter, die in den vollen Besitz des Erben übergehen, ohne Formalität, ohne Zeremonie, und zwar in derselben Sekunde, in welcher der sterbende König seinen Geist aufgibt. Als am 2. August 1589, um zwei Uhr morgens, Heinrich III. aus dem Leben schied, wurde Henri von Navarra Heinrich IV.. Man mußte ihn nicht erst zum König ausrufen. Er wurde es von selbst, ohne Aufschub, Verzögerung und Übergang.«
    »Ich wette, Monsieur, das hatte seinen Grund darin, daß der Thron keine Minute leer bleiben durfte, ohne Begehrlichkeiten zu wecken?«
    »Diese Begehrlichkeiten – wie Sie sich vielleicht erinnern werden – hatten sich bei den lothringischen Prinzen, deren Oberhaupt Guise gewesen war, bereits schlangengleich erhoben, als sich herausstellte, daß ein Hugenotte den Thron Heinrichs von Valois erben würde, sollte er ohne männlichen Nachkommen sterben. Der Religionsunterschied gab einen schönen Vorwand ab, die Legitimation des Ketzers zu bestreiten!«
    »Aber in der Nacht seines Todes hatte Heinrich III. die Großen seines Hofes doch Navarra huldigen lassen?«
    »Deren einer Teil ihm diese Anerkennung jedoch aberkannte, sobald Heinrich tot war. Ha, Madame! Mit diesen meinen Augen mußte ich, kaum daß der König einbalsamiert war, sehen, wie dieselben Herren, die am Vortag mit tränenüberströmtem Gesicht Navarra gehuldigt hatten, ihre Hüte in die Stirn drückten oder sie zu Boden warfen, die Fäuste ballten, komplottierten und konziliabulierten, einander die Hände drückten und gelobten, nie und nimmer einen Reformierten auf Frankreichs Thron zuzulassen! Lieber wollten sie tausend Tode sterben, als einen hugenottischen König dulden! Madame, der Hof schäumte und brodelte vor Verrat wie ein Hexenkessel. Nur daß es jetzt zwei Höfe gab, den des seligen Königs und den von Navarra, und letzterer brodelte nicht minder, doch sprachen die hier platzenden Blasen eine ganz andere Sprache. Denn wie man drüben keinen hugenottischen König wollte, so wollte man hüben keinen papistischen König.«
    |113| Heinrich IV. – den ich auf diesen Seiten fortan den König nenne, mit allem Respekt, aller Liebe und Ergebenheit, doch nicht ohne heimlichen Schmerz, daß es nunmehr ein anderer war als mein geliebter Herr –, Heinrich IV. also wollte nach dem Tod seines Vorgängers nicht im Palast Gondi wohnen, wahrscheinlich aus Aberglauben, und überließ ihn dem Großprior, während er dessen Logis übernahm. Und in diesem Hause nun, das ich gut kannte, weil ich zwei Nächte dort geschlafen hatte, die erste so gut, die zweite so schlecht, wurde der König bestürmt. Zunächst von seinen Getreuen, denn waren einige seiner Räte der Bekehrung auch zugeneigt – Roquelaure, weil er selbst Papist war, Monsieur de Rosny, weil er politisch dachte –, wagten sie dies doch noch nicht zu äußern. Dafür aber beschworen andere, wie der Minister Marmet, Monsieur de La Trémoille oder Monsieur Mornay-Duplessis (auch der Hugenottenpapst geheißen), den König in schrillen Tönen, seinem protestantischen Glauben treu zu bleiben, und das um so vehementer, je heftiger die Partei des seligen Königs ihn drängte, diesen aufzugeben.
    Was mich angeht, der ich zuschauen konnte, wie man auf den König einredete, während er auf und ab trabte durch den großen Saal des Hauses, allen zuhörte und keinen Ton erwiderte, so muß ich bekennen, daß Seine Majestät bei weitem nicht so majestätisch war wie mein seliger Herr und daß es ihn, der bislang ja mehr Soldat als König gewesen war, einige Mühe kostete, seine Rolle zu spielen. Offen gestanden, eignete sich sein Äußeres dazu auch wenig, diese kurzen

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