Parker Pyne ermittelt
vertrauliche Informationen entlocken. Er erfuhr von Mr Roberts’ Anstellung in einer wohlbekannten Firma und von seinem langsamen, aber stetigen Aufstieg. Er erfuhr von seiner Ehe; von seinem Kampf, immer den Schein wahren zu müssen, die Kinder zu erziehen und sie ›gut aussehen zu lassen‹; wie geplant und überlegt und geknausert werden musste, um jedes Jahr ein paar Pfund auf die Seite legen zu können. Kurz gesagt lauschte er der schier endlosen Geschichte eines Lebens, das vom ständigen Überlebenskampf gezeichnet war.
»Und – nun, jetzt verstehen Sie vielleicht, was los ist«, gestand ihm Mr Roberts. »Die Frau ist weg. Ist mit den beiden Kindern bei ihrer Mutter. Für die Kleinen kaum eine Veränderung und für sie ein wenig Ruhe. Für mich ist dort kein Platz, und wir können es uns nicht leisten, woanders hinzufahren. Da bin ich also, ganz allein, habe die Zeitung in der Hand und lese Ihre Anzeige. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich bin achtundvierzig. Ich habe mich gefragt… Überall geschehen so viele Dinge«, beendete er seinen Vortrag, und in seinem Blick lag die Sehnsucht eines kleinbürgerlichen Menschen.
»Sie wollen also«, fragte Mr Pyne, »zehn Minuten lang ein aufregendes Leben führen?«
»Nun, so würde ich das nicht ausdrücken. Aber vielleicht haben Sie ja recht. Nur um mal dem Alltag zu entfliehen. Hinterher würde ich da einfach weitermachen und dankbar sein – wenn ich nur irgendetwas hätte, woran ich mich mit Freuden erinnern könnte.« Er schaute den anderen Mann besorgt an. »Ich nehme an, dass da nichts machbar ist, Sir? Ich bedaure – ich bedaure Ihnen nicht viel zahlen zu können.«
»Wie viel könnten Sie sich denn leisten?«
»Ich könnte wohl fünf Pfund aufbringen, Sir.« Er wartete atemlos.
»Fünf Pfund«, sinnierte Mr Parker Pyne. »Ich denke – ja, ich denke, wir könnten mit fünf Pfund durchaus etwas erreichen. Haben Sie etwas gegen Gefahr?«, fragte er abrupt.
Mr Roberts’ bleiches Gesicht schien sich für einen Moment zu röten. »Gefahr sagten Sie, Sir? Nein, überhaupt nicht. Ich, ähem, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas Gefährliches getan.«
Mr Parker Pyne lächelte. »Kommen Sie morgen wieder vorbei, und ich sage Ihnen, was ich für Sie tun kann.«
Die Herberge The Bon Voyageur kennen nur wenige, und die Zahl der Stammgäste, die ihr Restaurant frequentieren, ist klein. Neulinge sind höchst unwillkommen.
Mr Pyne betrat The Bon Voyageur und wurde als bekannter Gast respektvoll begrüßt. »Ist Mr Bonnington da?«, fragte er.
»Ja, Sir. Er sitzt an seinem Stammtisch.«
»Gut. Ich werde mich zu ihm setzen.«
Mr Bonnington war ein Gentleman mit recht einfältigem Blick, den eine Aura militärischer Entschlossenheit umgab. Er begrüßte seinen Freund herzlich.
»Hallo, Parker. Dich sehe ich ja in letzter Zeit kaum noch. Ich wusste gar nicht, dass du kommst.«
»Ich schaue ab und zu mal vorbei. Vor allem, wenn ich einen alten Freund treffen möchte.«
»Meinst du mich?«
»Ja, dich. Um genau zu sein, Lucas, habe ich über das Thema nachgedacht, das wir letztens ausführlich besprochen haben.«
»Die Geschichte mit Peterfield? Hast du schon die neusten Informationen in der Zeitung gelesen? Ach, nein, das geht ja gar nicht. Sie werden erst in der Abendausgabe erscheinen.«
»Was sind denn die neuesten Informationen?«
»Sie haben Peterfield letzte Nacht umgebracht«, sagte Mr Bonnington und aß in aller Ruhe weiter seinen Salat.
»Grundgütiger!«, rief Mr Pyne.
»Oh, mich überrascht das nicht«, sagte Mr Bonnington. »Ein dickköpfiger, alter Kerl, dieser Peterfield. Hat uns keine Sekunde lang zugehört. Hat darauf bestanden, die Pläne zu behalten.«
»Haben sie sie bekommen?«
»Nein; es heißt wohl, dass eine Frau vorbeigekommen war, um dem Professor ein Schinkenrezept zu geben. Der alte Esel hat, geistesabwesend wie er war, das Rezept für den Schinken in den Safe und die Pläne in die Küche gelegt.«
»Was für ein Glück.«
»In der Tat. Aber ich weiß immer noch nicht, wer die nach Genf bringen soll. Maitland ist im Krankenhaus. Carslake in Berlin. Ich kann nicht weg. Es wird wohl auf den jungen Hooper hinauslaufen.« Er schaute seinem Freund in die Augen.
»Du bist immer noch derselben Meinung?«, fragte Mr Parker Pyne.
»Absolut! Der arbeitet für die andere Seite! Ich weiß es. Ich habe nicht die geringste Spur eines Beweises, aber ich sage dir, Parker, ich kann’s spüren, wenn ein Kerl korrupt
Weitere Kostenlose Bücher