Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
einer von ihnen stieß ich auf vier junge Bandenmitglieder, die gerade ein hilfloses Opfer quälten. Einer von ihnen summte ein Lied, während ein anderer die Frau vergewaltigte. Der ganze Akt spielte sich im Scheinwerferlicht eines kreisenden Raubvogels ab.
Ohne zu zögern, zertrümmerte ich dem Vergewaltiger den Schädel und jagte dem Pfeifer eine Kugel ins Bein. Die beiden anderen traten schleunigst den Rückzug an und schleppten ihre verwundeten Kameraden hinter sich her.
Als ich der Frau auf die Beine half, drehte der Raubvogel ab. Die Frau war sehr alt. Wenn ich eine Großmutter gehabt hätte, wäre sie in ihrem Alter gewesen.
»Wie heißt du, Mädchen?« Sie umarmte mich in grenzenloser Dankbarkeit.
»Ich heiße Parrish. Kanntest du deine Angreifer?«
Sie antwortete schluchzend durch einen Strom von Tränen: »Das waren Jungen aus meinem Block. Ich kenne ihre Familien. Sie wollten mein Essen.«
Sie stöhnte laut auf – ein Geräusch, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Der Krieg hat sie in Tiere verwandelt. Kannst du mir sagen, worum es bei diesen Kämpfen eigentlich geht? Ich weiß nicht, was hier passiert.«
Ich schleppte sie zu einem Haus, dessen Türen und Fenster mit Brettern vernagelt waren. Die Einwohner mussten die Szene beobachtet haben, aber sie waren wohl zu ängstlich gewesen, um einzugreifen.
»Lasst uns herein!«, rief ich laut. »Die Frau braucht Hilfe und Schutz!«
Im Inneren des Hauses wurde Licht angemacht, das durch die Ritzen der verbarrikadierten Fenster fiel. Die Tür öffnete sich einen Spalt. »Bitte nehmt sie auf.« Ich ließ die Alte in die Arme einer Frau meines Alters gleiten. Sie hatte einen kahlgeschorenen Kopf und Tätowierungen im Gesicht.
»Du warst sehr mutig«, sagte sie. »Ich hätte gerne geholfen, aber ich habe Kinder…«
Ich nickte, denn ich verstand, was sie meinte.
»Diese Raubvögel sind überall mit ihren Kameras. Es ist schrecklich.«
»Bleibt in eurem Haus«, war alles, was ich sagen konnte. Dann verschwand ich in die Dunkelheit.
Der Krieg hat sie in Tiere verwandelt.
Die Worte der alten Frau hallten immer wieder durch meinen Kopf. Vielleicht, weil ich in meinem Innersten ein Gefühl verspürte, das ich nicht mochte: Das Blut, die Gefahr, die Hässlichkeit der Welt entfachten eine flammende Begeisterung in mir.
In meinem Körper lebten zwei verschiedene Wesen. Nicht genug Platz. Ich fröstelte.
Eines von uns beiden würde den Kampf verlieren.
Mitternacht war längst vergangen, als sich die Häuserzeilen endlich veränderten und ich Torley und Shadouville erreichte.
Ich ging so vorsichtig wie möglich weiter, doch es dauerte nicht lange, bis ich von einer Bande umzingelt wurde, die feindselig Leuchtstäbe vor sich her schwenkte. Ich entsicherte meine Remington und hielt sie locker in der Hand.
Mit einem Magazin würde ich einige von ihnen ausschalten können, doch das matte Glänzen von Stahl und das Flackern von LED-Displays verrieten mir, dass auch sie ordentlich bewaffnet waren.
Eine der schattenhaften Gestalten kam auf mich zu: eine stämmige Mischlings-Frau mit einer Halbautomatik in der Hand. Sie hielt ihren Leuchtstab in mein Gesicht und lächelte. »Wen haben wir denn hier?«
Ich entschied mich, es zunächst mit Reden zu versuchen, und nahm meinen Finger vom Abzug. »Niemanden. Ihr kümmert euch um eure Angelegenheiten, ich um die meinen. Belassen wir es dabei.«
Sie musterte mich. »Ich habe dich schon einmal gesehen.« Sie trat einen Schritt zurück und flüsterte etwas zu der Person zu ihrer Rechten. »Du bist Mondos Mädchen.« Sie trat wieder lächelnd an mich heran.
»Ich vermute, dass du einiges wert bist«, sagte sie.
»Da vermutest du falsch.«
»Ich habe gehört, dass er ein Kopfgeld auf dich ausgesetzt hat.«
»Auch da musst du dich verhört haben.«
Drei von ihnen schritten aus der Gruppe auf mich zu. Sie waren leichte Beute. Meine Remington fauchte auf und sägte ihnen die Beine weg; doch es ist recht schwierig, alles zu bemerken, wenn sich der Feind im Halbdunkel verbirgt. Als ich mich umdrehte, um meinen Rücken zu decken, kamen weitere Attacken von den Seiten. Ich fand mich schnell auf den Knien wieder.
Es mussten mindestens zehn oder mehr Angreifer sein, jene, die sich noch immer im Schatten verbargen, nicht mitgezählt.
Die Mischlings-Frau ließ ihre Halbautomatik auf meinen Kopf krachen und spuckte mir ins Gesicht.
Von hinten fesselte mir jemand die Hände auf den Rücken. Dann zogen sie
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