Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
Vorherrschaft im Sektor. Plessis wird in Verbindung mit dem Mord an der Nachrichtensprecherin Razz Retribution gesucht. Plessis hat im Tert wieder das Kommando über ihre Bande übernommen, nachdem sie bei einem Einbruch auf M’Grey nur knapp entkommen konnte. Ihre Flucht von der Insel hätte aus Mission Impossible stammen können. Jede Information über…«
Mein Gerechtigkeitssinn schrie ob dieser verdrehten Wahrheiten auf. Stumm starrte ich auf den Schirm und hörte nicht weiter zu. Ich konnte keine weiteren Lügen mehr ertragen.
Wie hatte das passieren können? Wie war die Sache dermaßen aus dem Ruder gelaufen?
Je mehr ich versuchte, mein Leben zu ordnen, desto mehr geriet es mir außer Kontrolle. Ich wusste nicht, ob ich lachen, weinen oder mich in irgendeinem Loch verkriechen sollte.
Am besten alles drei.
Doch das würde auch nichts ändern.
Ich ging zu einem Fenster hinüber und nahm das Gitternetz ab. Es war nicht sehr schwer, auf die Dächer dieser Häusereinheiten zu gelangen. Meine einzige Sorge war, dabei von hinten erschossen zu werden. Während ich hinaufkletterte, erwartete ich jeden Moment einen stechenden Schmerz zwischen meinen Schulterblättern zu spüren.
Aber er blieb aus. Vielleicht machte mich das schwindende Licht zu einem schlechten Ziel.
Ich stieg die leichte Schräge zum Dachfirst hinauf. Plötzlich griff zwischen zwei Schlafkokons hindurch eine stählerne Hand nach meinem Fußgelenk. Ich trat so fest ich konnte nach ihr und richtete meine Remington in die schmale Öffnung. Eine Comdrohne schwebte langsam heraus.
»Lass mich los«, schrie ich, »oder ich puste dich vom Dach.«
Wer auch immer das Ding steuerte, er nahm mich beim Wort.
Ich kletterte so schnell ich konnte auf die Spitze des Dachs und sah mich um.
Seit ich mit Daac zum letzten Mal hier gestanden hatte, schien sich das Häusermeer des Tert nicht verändert zu haben. Von hier oben betrachtet, war der Krieg unter den zahllosen Häuserdächern begraben. Es gab kein offensichtliches Anzeichen von Unruhen, abgesehen von einigen gelegentlichen Rauchschwaden und den vielen Helikoptern und Raubvögeln.
Alles schien wie immer zu sein, der Küstenstreifen im Westen und das ölige Glitzern des Filder im Osten, alles an seinem Ort.
Nur ich kam mir verloren vor.
Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Kompass und machte mich dann in nordöstliche Richtung nach Torley auf. Alles, was ich jetzt noch tun musste, war, lange genug am Leben zu bleiben, um dort anzukommen.
Über eine provisorische Hängebrücke ging ich aufs nächste Dach, und von dort aus benutzte ich die Abseilstation der Dachbewohner, um wieder auf den Boden zu gelangen.
In den Straßen herrschte eine unheimliche Stille. Nur gelegentliche Schüsse und das Knattern der Helikopter durchbrachen die Ruhe.
Die Nacht zog mit schwarzen Sturmwolken heran, und die Luft legte sich schwer wie ein nasskaltes Handtuch über die Stadt. Seltsamerweise fehlte der Geruch nach Essen, der um diese Zeit gewöhnlich die Straßen durchzog. Vielleicht fürchteten die Leute, in einem Leichensack zu enden, wenn sie dem Krieg auch nur für eine Sekunde den Rücken kehrten.
Vorsichtig schlich ich von einer Straßenecke zur nächsten. Ich erinnerte mich wieder daran, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit Bras ihren Weg in der Dunkelheit gefunden hatte. Ich wünschte, sie wäre bei mir gewesen – um meinetwillen. Was sie betraf, würde es ihr bei König Ban und seiner Familie sicherlich besser gehen als in meiner Gesellschaft.
Im Schutz der Dunkelheit war jedermann gefährlich und angreifbar zugleich.
Im Laufe der langen Nacht begegnete ich mehrere Male Menschengruppen, die Leuchtstäbe, Fackeln oder Lampen vor sich her trugen. Sie waren alle dunkel gekleidet und hatten keinerlei offensichtliche Zeichen, an denen man sie hätte erkennen können.
Genauso wie ich.
Dieses Vorgehen hatte mir schon mehr als einmal das Leben gerettet. In einem Kampf, in dem die feindlichen Linien nicht klar voneinander getrennt waren, konnte das Zögern eines Angreifers ein Vorteil sein. Ich hatte heute schon öfters erlebt, dass sich meine Gegenüber fragend angeblickt und sich gefragt hatten: Zu wem gehört sie? Ist sie eine von uns? Manchmal war es mir dann gelungen, mich aus der Situation herauszureden. Bei anderen Gelegenheiten wiederum hatte ich ihr Zögern genutzt, um einfach in der Dunkelheit zu verschwinden.
Auf meinem Weg nach Torley landete ich ein paar Mal in einer Sackgasse. In
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