Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
Morgenstunden langsam die Gehwege und engen Straßen bevölkerten, herrschte eine bedrückende Enge. Die Hitze staute sich unter den behelfsmäßigen Dächern, ein Klima wie in einem Treibhaus. Dazu kam der atemraubende Gestank von ungewaschenen Körpern, und das wirre Gebrabbel über tägliche Sorgen.
Ich hatte nur eine vage Ahnung, wo wir uns befanden. Mein Kompass verriet mir lediglich, dass wir uns in süd-östliche Richtung bewegten, mitten ins Herz des Tert.
Ich machte mir Sorgen, ob ich in meinem jetzigen Zustand noch die nötigen Reflexe haben würde, sollte der Verhör-Mecha uns jetzt finden. Erschöpfung, Menschenmassen, Hitze. Mir brummte der Schädel. Die Muenos liefen in einem weiten Fächer neben uns her, wie ein Flugzeuggeschwader. Ich wandte mich an den, der mir am nächsten war.
»Ich brauche etwas zu essen«, sagte ich und griff in meine Tasche, um mein letztes Geld hervorzuholen – das, was ich Bras angeboten hatte.
Der Mueno kam zu mir herüber, schob meine Hand zur Seite und verschwand für eine Minute. Als er wiederkehrte, trug er zwei riesige Tortillas in den Händen, gefüllt mit schmierigem Fleisch und irgendwelchen anderen unidentifizierbaren Klumpen.
Wenn man sich sieben Tage die Woche von Ersatzstoffen ernährte, war der Geschmack Ekel erregend. Mein Magen rebellierte beim ersten Bissen, aber er musste sich wohl oder übel daran gewöhnen.
Sto war nicht so abgehärtet. Nachdem er drei viertel der Tortilla verschlungen hatte, übergab er sich auf seine eigenen Füße.
Verschwendung.
Wir gingen weiter, immer in süd-östliche Richtung, bis das schwindende Licht den Abend ankündigte. Einige Male war ich versucht, einfach auf ein Ped oder ein Robokid zu springen; aber mein Stolz ließ mich weiterlaufen.
Einmal blubberte sogar ein Gas-Gas mit niedrigen Touren an uns vorbei. Es erregte sofort meine Aufmerksamkeit, weil man in diesen Gegenden äußerst selten ein echtes Motorrad zu Gesicht bekam, und weil der Fahrer mich steif anstarrte, bevor er den Lenker herumriss und in der Menge verschwand. Für den Buchtteil einer Sekunde dachte ich, er wäre vielleicht einer der Cabal, aber ich war zu erschöpft, um darüber nachzudenken.
Zwei der Muenos hatten Sto in ihre Mitte genommen und schleiften ihn zischen sich her wie ein geschlachtetes Tier. Er stöhnte ab und zu. Ich nahm mir fest vor, uns beiden eine Zuflucht zu suchen, wo wir ausruhen konnten, sobald uns die Muenos verlassen hatten. Ich stand selbst kurz davor einzuschlafen, aber ich vertraute nicht darauf, dass uns Pas’ Eskorte auch bewachen würde, wenn wir schliefen.
Bald stellte sich jedoch heraus, dass wir unser Ziel fast erreicht hatten. Während der letzten halben Stunde war mir auch aufgefallen, wie sich die Architektur verändert hatte – wenn es hier überhaupt etwas gab, das man so nennen konnte.
Die meisten Gebäude im Tert waren kreisförmig angeordnet, verbunden über Gehwege, Vorhöfe und andere kleine Flecken, die meist ein Pool oder Park gewesen waren – hier standen nun in der Regel Baracken oder Zelte. Einige waren ungenutzt – wie die Hütte, in der ich Bras entdeckt hatte, zum Beispiel –, weil in den meisten Fällen der Asphalt aufgebrochen war und die vergiftete Erde durchgelassen hatte.
Die Gegend veränderte sich, als wir weitergingen. Schließlich wurden die kreisförmigen Bauten durch Gebäudereihen ersetzt. Häuserzeile klebte hier an Häuserzeile wie Legobausteine.
Tower Town.
»Oya?« Der Mann, der uns die Tortillas gebracht hatte, wandte sich an mich und verbeugte sich leicht. »Wir gehen nicht weiter.«
Wir blieben unter den rostigen Überresten einer Feuertreppe stehen und sahen uns an. Ich nickte und schaute mich nach der üblichen Zollanlage um. Wie viel würde mich das wohl kosten. »Ich danke dir. Sag Pas, ich werde euch nie vergessen, dass ihr mir geholfen habt.«
Die beiden Muenos, die Sto trugen, ließen ihn los, und er fiel mir vor die Füße, bleich und schweißgebadet. Ich musste wohl sauberes Wasser besorgen. Da er vom Land stammte, würde sein Immunsystem wohl kaum dem Slum-Essen standhalten, das er bekommen hatte.
Die Muenos verschwanden so schnell, als hätten sie nie existiert. Ich versuchte, unsere Lage einzuschätzen. Wie sollten wir es zum Treffpunkt mit Daac schaffen, wenn Sto nicht mehr im Stande war, einen Fuß vor den anderen zu setzen?
Er war vollkommen erschöpft, und das bereitete mir Sorgen. Wenn er sich nicht bald wieder aufrappeln würde, hätte ich Daac
Weitere Kostenlose Bücher