Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
um sie mit einem tödlichen Biss in mein Gesicht zu treiben, schoss ich dem Vieh die Eier weg.
Mit einem Heulen, das nicht von dieser Welt war, ließ die Kanratte von mir ab und verkroch sich mit eingekniffenem Schwanz. Als ich mich wieder auf meine wackeligen Beine stellte, hörte ich Stimmen, die sich über die Rechte an dem Kadaver stritten.
So viel zum Thema unauffällig bleiben, Parrish!
Aber wohin war der Verhör-Mecha mit Bras verschwunden?
Wie auf Kommando erstrahlte der Platz plötzlich in hellem Licht. Muenos kamen überall aus den Eingängen der Villen und unterhielten sich in aufgeregtem Tonfall. Einige standen an geöffneten Fenstern.
Ich fing einige Gesprächsfetzen auf. Die Eine, die Große ist tot. Oya hat die Große getötet.
Oya? So hatte mich Bras genannt.
Unmittelbar vor mir flog eine Türe auf, und Sto kam eine Treppe heruntergestürzt. Eine Gruppe von Muenos folgte ihm in gebührendem Abstand.
»Parrish. Du bist zurückgekommen, um mich zu retten.« Im schummrigen Licht strahlte sein Lächeln wie die aufgehende Sonne.
Ich schlug ihm auf die Schulter. Was für eine Szene: Da stand ich, von oben bis unten besudelt mit dem Gedärm der Kanratte und feierte eine herzliche Wiedervereinigung mit einem naiven Rotschopf, umringt von Muenos, die bis an die Halskrause mit Messern bewaffnet waren und mich Oya nannten. Darauf hätte ich wirklich verzichten können! Wie auch immer… jetzt, da ich Sto wiederhatte und er in guter Verfassung zu sein schien, machte ich mir mehr Sorgen um Bras.
»Was liegt an?«, fragte ich lässig.
Sto griff sofort meine Stimmung auf. »Nach der Nummer mit dem Blut und den Federn… Nun ja… Sie denken, dass du ihre Kriegsgöttin oder so was bist. Sie haben mich bewacht, aber niemand hat mich verletzt.« Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und wandte sich dann wieder mir zu. »Sie haben auf dich gewartet… singend.«
»Sie waren nicht die einzigen, die gewartet haben«, sagte ich weniger leichtfertig. Das Adrenalin hatte eine bleierne Müdigkeit in meinen Muskeln hinterlassen. »Der Verhör-Mecha hat uns gefunden.«
Ich wartete Stos Reaktion nicht ab. Stattdessen stellte ich meine Geruchsverstärker auf die höchste Stufe. Verhör-Mechas rochen wie Suppenknochen und waren schneller als jeder manipulierte Mensch. Falls er zurückkommen sollte, um Sto zu schnappen, wollte ich es wissen.
Aber mein Gefühl sagte mir, dass wir so schnell nicht mit ihm rechnen mussten. Die Mechas sandten ihre Erlebnisse an ihre Piloten, und die wiederum lieferten das Zeug an ihr Netzwerk für die Life-Action-Shows: Mach sie fertig, Hol dir deinen Kick, Schlag zu, wenn sie am Boden liegen, Treten und Schlagen – die Namen variierten, aber es war alles dasselbe. Die Netzwerke setzten auf Echtzeit-Gewalt.
Real-TV war keine Neuheit mehr, aber Raubvögel und Verhör-Mechas verliehen dem Ganzen eine besondere Note, die viele Zuschauer begeisterte und die Einschaltquoten in schwindelerregende Höhen trieb. Mittlerweile hatte mindestens ein Drittel der Welt Bras’ Gefangennahme und meinen kläglichen Rettungsversuch gesehen. Vielleicht würde die Live-Schaltung den Mecha für eine Weile ablenken.
Es war eine Art Vorspiel.
Ich schwor mir, dass dieser Blechhaufen mit Mikrochip das nächste Mal vor laufender Kamera keinen Idioten mehr aus mir machen würde – Zuschauer hin oder her.
»Oya?«
Ein korpulenter Mueno in blutroten Seidenhosen trat in den Lichtkegel meiner Lampe. Sein langes, geflochtenes Haar schimmerte schwach, und er roch einigermaßen gut. Verglichen mit Bras sah er obszön fett aus.
»Oya? Wir haben gehört, dass du gekommen bist.«
»Was habt ihr gehört, Mueno?«, fragte ich vorsichtig. Es sah so aus, als hätten sie mich in eine ihrer alten Prophezeiungen eingearbeitet. Die Leute brauchten Helden – egal, welcher Religion sie angehörten. Was das betraf, waren Muenos sogar noch schlimmer als die meisten. In ihrem Glauben mischten sich Katholizismus, Voodoo und Tech-Verehrung. In ihrer Religion bewohnten nicht nur die Götter den Himmel, sondern auch Tiere und Maschinen. Musste verdammt voll da oben sein!
»Oya ist gekommen, um uns in die Schlacht zu führen.« Er senkte den Kopf. »Muenos werden Oya folgen.«
Muenos werden Oya folgen? In die Schlacht?
Meine Welt wurde mit jeder Sekunde verrückter! »Wie heißt du?«
Auf seinem runden Gesicht zeichnete sich eine Mischung aus Unsicherheit und Vergnügen ab. Einen Augenblick lang befürchtete ich, er
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