Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
Adern.
»Dreht sie um«, befahl Jamon. »Sie sieht abstoßend aus.«
Für den Bruchteil einer Sekunde empfand ich Erleichterung, als sich ihr Griff um meine Glieder lockerte. Dann packten sie wieder fester zu, und mein Gesicht wurde auf den schmierigen, harten Fußboden gedrückt. Ich hörte auf zu wimmern; mein Körper war nur noch taub, mein Geist benommen.
Ich spürte Jamons heißen Atem auf meinem Gesicht. »Ich hoffe, du verstehst jetzt, dass dein Leben von nun an mir gehört, Parrish.«
Ich tauchte aus meinen Erinnerungen wieder auf wie eine Ertrinkende, die verzweifelt nach Luft rang. Niemand würde mich je wieder so festnageln!
Entschlossen warf ich mir den Rucksack mit meiner Ausrüstung auf den Rücken und riss die Wohnungstür auf. ABBA dudelte für einen Moment, als ich einen Dingomutanten umstieß, der sich gerade am Schloss zu schaffen machte. Ich rammte mein Knie in sein Gesicht. Im Fallen gruben sich seine Fangzähne in mein Bein, und er klammerte sich an mir fest.
Mit gespreizten Beinen landete ich hart auf seinem Gesicht und schrie vor Schmerzen, als er versuchte, meine Kniescheibe herauszureißen. Verzweifelt steckte ich meine Finger in sein Maul in der Hoffnung, seinen Kiefer aufstemmen zu können. Das war nicht gerade eine bevorzugte Kampftaktik gegen Dingomutanten. Sie besaßen hohle Schneidezähne, die mit Gift gefüllt waren. Ich vertraute darauf, dass mein Overall die Bisse aushalten würde, wenn der Kampf nicht zu lange dauerte. Aber würde auch meine Kniescheibe die Attacken überstehen?
Der Dingomutant stieß seine Füße nach oben, um meinen Rücken mit seinen abnormal großen Fußnägeln zu durchpflügen. Mei glaubte, dass die Dingos sie von Toten transplantierten.
Von der Treppe her drangen Stimmen und lautes Getrampel zu mir herüber. Verstärkung war im Anmarsch. Ich beschloss, meine Kampfexperimente einzustellen und auf Nummer Sicher zu gehen. Mit einem Ruck zog ich meine Finger aus seinem Maul und griff nach einem Giftpfeil in meinem Tank-Top. Der Mutant kreischte laut, als ich ihm den Stachel in sein Auge bohrte. Bevor er Hilfe herbeirufen konnte, war ich bereits aufgesprungen und humpelte so schnell ich konnte in die entgegengesetzte Richtung.
Was ich getan hatte, war nicht schön; doch Jamon würde mich nie wieder in seine Finger bekommen – zumindest nicht lebendig. Der Dingomutant würde es überleben. Augen ließen sich leicht ersetzen.
KAPITEL ZEHN
Das einzige Hindernis auf dem Weg vom Tert nach Vivacity war die Zollstation an der nördlichen Grenze. Der Posten bestand aus einem Labyrinth ausrangierter Plastikrohre, die man auf dem Boden verlegt hatte, um die Reisenden vor der vergifteten Erde zu schützen. Hatte man die Kontrollen passiert, stieg man für gewöhnlich in den nächsten Transitzug zur Station Vivacity. Für mich war dieser Weg heute versperrt.
Stattdessen wollte ich versuchen, die Grenze des Tert im Nord-Osten zu überqueren. Ursprünglich hatte dort einmal ein Urwald existiert, ein herrlicher, üppiger Landstrich voller tropischer Exotik, der sich entlang eines glitzernden Strandes erstreckt hatte – so beschrieben es zumindest die Hologramme in den Archiven. Abgesehen von einer modrigen Pilzart wuchs dort heute nichts mehr.
Ich näherte mich rasch der letzten Häuserzeile, deren Gebäude alle auf das braune Ödland hinaussahen. An den Rändern der Stadt war man dem unwirtlichen Wetter des Tert unmittelbar ausgesetzt. Ich schlug den Kragen meines Overalls hoch, um mich vor dem feuchten Nieselregen zu schützen, der monoton auf mich niederprasselte. Außerdem wollte ich nicht, dass Teece meinen schwarzen Anzug sah, den ich unter meinem Overall trug. Am Ende dachte er noch, ich hätte mich für ihn so herausgeputzt.
Teece kontrollierte einen inoffiziellen Grenzübergang zwischen dem Tert und Vivacity, der gerne von Personen benutzt wurde, die sich nicht an den öffentlichen Zollstationen blicken lassen konnten. Zudem war die Passage über das Ödland der schnellste Weg nach Fishertown. Im Laufe der Jahre hatte Teece hier ein lukratives Geschäft aufgebaut. Die Slumbevölkerung war seine Hauptklientel; aber auch andere, die gerne inkognito reisen wollten, benutzten seinen Weg.
Teece war mein erster Kunde gewesen, als ich aus der Vorstadt hierher gekommen war. Ich hatte ihm eine Woche lang den Rücken freigehalten, während er sein neues Geschäft aufbaute. Rasch stellte sich heraus, dass er ein bekannter Motorradfreak war, nach dem
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