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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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man hoch oben auf den Häusern angebracht hatte. Einige von ihnen waren besetzt, andere wiederum mit einem Vorhängeschloss verriegelt, als trauten die Eigentümer ihrer Nachbarschaft nicht.
    »Folge deinem Kompassimplantat in nördliche Richtung, dann kommst du automatisch nach Torley zurück.«
    Zwar hatte ich das auch vorher schon gewusst, aber dennoch hatte ich mich gerne von Daac auf die Dachspitzen mitnehmen lassen. Der Blick von hier oben war einfach überwältigend. Wenn man im Tert war, vergaß man manchmal den Himmel, der sich irgendwo über den Häuserschluchten versteckte. Bisweilen sah man ihn auch nur im Öffentlichen Netz. Aber hier oben blendete der Himmel die Augen mit seiner Helligkeit.
    Das grenzenlose Häusermeer, dessen Dächer von oben betrachtet wie ein endloses Mosaik aussahen, ängstigte mich auch ein wenig. Wenn man einen genaueren Blick darauf warf, zerfiel es in Millionen von Kokons, dünne Micro-Schüsseln und schmutzige Plasma-Massen. Fast war es, als würde man ein Stück Haut unter dem Mikroskop betrachten.
    Am Himmel setzte sich wie jeden Morgen ein rosa-grauer Schleier ab. Ich hatte hier einen ganzen Tag verschwendet. Andererseits war es das aber auch wert gewesen, allein, um diese Aussicht zu bewundern.
    »Wo liegt Dis von hier aus?«, fragte ich.
    Daac wandte sich nach Süden. Am Horizont konnte man den Ozean erahnen, ein schwacher mattsilberner Streifen.
    »Genau in der Mitte«, sagte er. »Niemand wagt sich heutzutage dort hin. Das Herz unseres Landes ist krank.«
    Große Worte, die mich schaudern ließen.
    Hoch oben im Himmel breitete sich in alle Richtungen ein grauer Dunstschleier aus, der den Gestank des Tert mit sich nahm. Ich verspürte das Verlangen, einfach dort hinauf zu fliegen und den Schmutz hinfort zu fegen, so wie der Engel in meinem Traum mein Blut von den Betäubungsmitteln gereinigt hatte.
    Ich hatte mir keine großen Gedanken über diesen Traum gemacht, doch jetzt bekam ich bei der Erinnerung daran ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Was hatte Daac noch über die Oya und die Muenos gesagt? »Wer die Federkrone wählt, wird ihre Zukunft beschützen.«
    Also, das war wirklich eine Perspektive, die mir gern gestohlen bleiben konnte.
    Egal, woran auch immer die Muenos glauben mochten, ich hoffte, dass Pas sich um die Straßenkinder kümmerte… und ich betete, dass Bras noch lebte.
    Ich musste ein seltsames Gesicht gezogen haben, denn Daac hatte sich zu mir herumgedreht und starrte mich nun schon eine ganze Weile an.
    »Nimm dich in Acht vor Lang und Jamon Mondo, Parrish«, sagte er.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass das alles ist, was du mir dazu sagen wirst? Keine weiteren Erklärungen?«
    Er lächelte. Es war ein entwaffnendes Lächeln. »Würdest du mir denn überhaupt etwas glauben?«
    »Sehr wahrscheinlich nicht«, stimmte ich ihm zu. Aber wenn du mich noch länger so angrinst, reihe ich mich in der Schlange deiner Jünger hinter Sto und Mei ein.
    Er reichte mir einen Comstift.
    »Was soll das?«, fragte ich überrascht.
    »Nur für den Fall, das du mich brauchen solltest«, sagte er in gelassenem Tonfall. »Ruf mich an.«
    Mit einer kleinen Fingerbewegung hätte ich das Ding über die Dachkante in die Vergessenheit befördern können. Tatsächlich hätte ich das lieber als alles andere auf der Welt getan. Stattdessen steckte ich den Stift jedoch in eine Tasche meines Tank-Tops, das ich unter meinem Anzug trug.
    »Danke.«
    Persönliche Notiz: linke Hand absägen, ist ein Verräter.

 
     
     
TEIL ZWEI

 
KAPITEL NEUN
     
     
    Der Hausbesitzer hatte eine Mahn-Jingle an der Türe meiner Wohnung befestigt. Als ich sie öffnete, fing das verdammte Ding an, ABBA in einer Lautstärke von mindestens neunzig Dezibel zu spielen. Meinetwegen hätte er mir ruhig sechs Schlägertypen mit halbautomatischen Waffen auf den Hals hetzen können, weil ich meine Miete nicht gezahlt hatte. Aber musste es denn ausgerechnet ABBA sein?
    Die Gruppe tourte gerade durch Vivacity… Ihre Klone, hieß das, um genau zu sein. Die echten ABBA-Mitglieder waren natürlich schon lange tot. Die Typen, die jetzt in Viva auftraten, mussten ungefähr die sechste Version sein, die man aus der DNS der ursprünglichen Band repliziert hatte.
    Sie waren nicht die einzigen Repros. Die Rolling Stones waren neuerschaffen worden und mittlerweile auch wieder verschwunden, genauso die Beatles, Nirvana und natürlich The Big E. Irgendwie hatte man die Technik noch nicht richtig in den Griff bekommen

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