Parrish Plessis 02 - Code Noir
all meine Sinne spürte, fühlte ich mich von meinem irdischen Dasein losgelöst.
Meine Gefährten befanden sich in der Nähe der Stelle, wo ich vor Tagen den Kanal überquert hatte. Im Westen, dort wo die Überreste der Monorailbahn emporragten, war das Ufer mit Menschen überflutet, die panisch vor der Wilden Technologie flohen.
Ich betrachtete das heillose Chaos und die blanke Not. Manche stürzten sich in die Fluten des Kanals, um auf die andere Seite zu schwimmen, ertranken dabei jedoch hilflos in dem verseuchten Wasser. Andere kletterten auf die verrosteten Pfeiler hinauf, in der Hoffnung irgendwie die zerstörte Brücke nutzen zu können; doch die meisten von ihnen endeten aufgespießt auf einer der Metallpricken, die aus dem Kanal aufragten.
Versteckt in diesem Tohuwabohu eliminierten die Kadais der Cabal Coomera mit tödlicher Präzision versprengte Söldner-Truppen. Mit blitzenden Eisenkupferwaffen rissen sie ihren Gegnern die Herzen heraus. Ich kreiste lange über dem Geschehen, fasziniert von ihrem Können.
In der Ferne sah ich aus dem Augenwinkel heraus das Aufflackern einer Luftspiegelung. Neugierig glitt ich schwerelos zu der Stelle hinüber. Söldner bewachten dort irgendetwas. Als ich näher kam, erfasste mich ein heftiger Luftstrom. Instinktiv begriff ich, dass Leesa Tulu in der Nähe sein musste. Und Ike ebenfalls.
Erschrocken wich ich zurück und begab mich in die andere Richtung bis an die Grenze des Tert. Mei kauerte dort mit anderen Kämpfern der Cabal. Sie vereinten ihre Chi-Kräfte, um die schmalen Boote zu stabilisieren, mit denen die Cabal-Krieger über den Kanal ruderten. Die Nussschalen schwankten und liefen voll Wasser, während über ihnen ein spirituelles Duell ausgetragen wurde.
Dieser Kampf sollte eigentlich unsichtbar sein wie ein Windstoß… Geschah das alles wirklich? Es musste real sein. Ich sah die gehässigen Salven, die von Tulu ausgingen, und auf der anderen Seite die pulsierende Erdwärme der Cabal – zwei gegensätzliche Kräfte; die eine versuchte die Boote umzustoßen, während die andere sie mit Mühe aufrecht hielt.
Mei sah wütend zu mir hinauf, als würde meine Präsenz sie von ihrer Aufgabe ablenken.
»Du!«, sagte sie vorwurfsvoll. »Was tust du in meinem Kopf?«
»Woher weißt du, dass ich es bin?« Ich sandte die Frage als Gedanken zurück.
Mei stand auf und ballte die Fäuste. »Unsere Geister sind miteinander verbunden. Zum Teufel, Parrish! Wie konnte das geschehen?«
»Du bist die Expertin«, gab ich zurück. »Ich weiß es nicht!«
Ich merkte, wie ihre Gedanken zu unserer Vereinigung in Mo-Vay zurückgingen. Anscheinend hatte sich dabei unbeabsichtigt ein Band zwischen uns gebildet.
»Verschwinde. Wir versuchen die Boote zu schützen.«
»Wir? Wen betrügst du dieses Mal, Mei?«
»Die Cabal wollen wissen, ob du ihre… ahhh…«
Die Geister der Cabal griffen durch Mei und unsere Verbindung nach mir. Sie suchten fieberhaft nach dem Verbleib ihrer Brüder. Ich versuchte, ihnen auszuweichen, und unter mir öffnete sich eine bodenlose Leere.
»Loyl!«, war das Letzte, was ich rufen konnte; dann fiel ich meinem Tod entgegen.
KAPITEL SIEBZEHN
Sie fingen mich auf, bevor mein Körper auf der Erde aufschlagen konnte. Stix, Chandra Sujin, Ness, Arlli, Talk Long und Tug trugen das Gewicht meiner unsichtbaren Hülle und setzten mich sanft auf dem Boden ab.
Als ich wieder zu mir kam, halfen mir Roo und Glida beim Aufstehen. Meine Nase blutete; offenbar war ich vorhin, als ich in Ohnmacht gefallen war, mit dem Gesicht aufgeschlagen. Ich wischte mir das Blut mir der Hand aus dem Gesicht.
»Boss?« Roos Augen flackerten vor Aufregung. »Für solche Schwächeanfälle haben wir keine Zeit.«
Eine leichte Unbeschwertheit hatte den Druck in meinem Kopf ersetzt. Der Eskaalim strahlte eine tiefe Zufriedenheit aus, beinahe so, als hätte er meine Rettung koordiniert.
»Falls das noch einmal geschieht, geht ihr ohne mich weiter.« Ich gab Roo mit einem strengen Blick zu verstehen, dass ich es ernst meinte.
»Und was geschieht dann mit dir, Boss?«
»Ich werde euch wieder einholen.«
Dieser Befehl schien ihm nicht zu gefallen, aber Roo äußerte keinerlei Einwände.
Ich ging zu den Schamanen hinüber, die sich in einem Kreis versammelt hatten. Ohne sie danach zu fragen, was genau geschehen war, dankte ich ihnen.
Ness öffnete langsam die Augen; kleine Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. »Du hast Glück gehabt.«
Glück? Das bezweifelte
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