Parrish Plessis 02 - Code Noir
ich einen zusätzlichen Schamanen mitnehmen kann«, sagte Daac ungeduldig.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Es wird besser sein, wenn du hier bleibst und auf Mei und Anna Acht gibst.«
Loyl legte nachdenklich den Kopf zur Seite. Er traute mir nicht. Gut so!
»In Ordnung.« Er gab mir das Messer zurück. Meine Finger schlossen sich um das Heft, ein gutes Gefühl.
Zu sechst kletterten wir in das Quad; ein indischer Schamane mit Tätowierungen im Gesicht klammerte sich an meine Schultern. Damit verblieben noch vier von ihnen, Mei, Schaum und Daac nicht mit eingerechnet. Ich würde also noch mehr als ein Mal fahren müssen – Daac und ich nahmen jeweils den Platz von zwei Personen ein.
Alles Grübeln half nicht. Ich schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Wir erreichten das Splittys abermals ohne Probleme, aber der Motor des Quads bereitete mir Sorgen. Dieses Mal hatte ich auch größere Mühe, ein Loch in das Plasma-Netz zu schneiden. Es schien beinahe so, als würde sich das Gewebe mit jedem weiteren Schnitt verstärken.
Zwei Schamanen halfen mir, das Netz auseinander zu ziehen.
Der Inder stieg als Erster hinunter.
»Such dir einen guten Stand auf der Treppe. Du wirst die anderen vielleicht mit Gewalt durch die Öffnung ziehen müssen«, wies ich ihn an. »So schnell wie das Netz wächst, kann ich das Loch allein nicht lange offen halten.«
Er nickte, und ich erzählte auch ihm von Glida-Jam. »Warte dort auf mich. Mo-Vay ist kein sicherer Ort für einen Fremden.«
»Die Vertrauten beschützen uns«, sagte der Mann und berührte dabei seine Schulter, als würde er ein unsichtbares Tier streicheln.
»Was ich sage, ist ebenfalls nur zu eurem Besten.«
Er bedachte mich mit einem sanften Lächeln. Dann verschwand er in der Öffnung.
Ich betete heimlich für ihn.
Als ich Ikes Anlage wieder erreichte, stiegen aus dem Motorraum des Quad schwarze Rauchwolken auf. Ich bezweifelte, dass die Maschine noch eine weitere Fahrt überstehen würde – ganz zu schweigen von zwei Touren.
»Das Plasma-Netz wird immer dichter«, rief ich den anderen zu.
Ich sah zu der Halle hinüber: Dort hatte sich der Plasmapilz ebenfalls ausgebreitet und bedeckte nun auch die anderen Häuser.
»Die Hitze des Feuers scheint die Konsistenz des Plasmas zu verändern«, bemerkte Anna Schaum.
»Kannst du es irgendwie aufhalten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nicht einmal, worum es sich dabei eigentlich handelt. Ich habe mich die ganze Zeit nur in diesem Haus aufgehalten. Ike hat mir immer den Zugang zu der Halle verwehrt, in der er die Kulturen und Körperteile gelagert hat.«
Loyl streckte die Hand aus. »Es gibt noch einen anderen Weg durch die Mauer; sie haben mich auf diesem Weg hierher gebracht. Gibt mir den Dolch. Ich werde diese Fahrt übernehmen und dich anschließend abholen.«
»Nein.« Ich wollte die Karadji nicht aus den Augen lassen, vor allem dann nicht, wenn Loyl Daac in ihrer Nähe war.
»Parrish, du wirst den anderen Weg niemals finden, und wir passen nicht alle ins Quad. Der Motor macht es nicht mehr lange mit.«
Ich presste dickköpfig die Lippen aufeinander. Wir sahen uns stumm an.
Mei stellte sich plötzlich zwischen uns und stieß mich in die Rippen. »Jetzt ist nicht die Zeit für Streitereien; wir werden sonst alle hier sterben.«
In dem Punkt konnte ich ihr nicht widersprechen. Ich gab Daac den Dolch. Nun hatte er als einziger die besten Chancen, hier lebend raus zu kommen.
Während sich Loyl auf dem Fahrersitz festschnallte, wandte ich mich an den alten Karadji, mit dem ich mich vorhin unterhalten hatte.
»Deine Leute haben mich geschickt, damit ich euch nach Hause bringe. Wartet auf mich, wenn ihr auf der anderen Seite der Mauer seid. Ich werde euch so schnell wie möglich folgen«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
»Ich weiß.« Er legte eine Hand auf meine Schulter, und beruhigender, warmer Schauder durchlief meinen Körper.
»Was hast du getan?«
»Ein Geschenk«, antwortete er ruhig.
Daac setzte das Quad in Bewegung. Der alte Mann drehte sich um und sah mir nach, bis sie außer Sichtweite waren.
Offenbarung… Was hatte er damit gemeint?
»Junge, Junge, du hast dich aber schnell überreden lassen, Parrish«, frotzelte Mei.
Ich beachtete sie nicht. Das wohlige Gefühl in mir war noch immer da. Der alte Mann hatte mir ein wahrhaft kostbares Geschenk gemacht: Ruhe und Frieden. Seit sehr, sehr langer Zeit hatte ich mich nicht mehr so ausgeglichen
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