Parrish Plessis 02 - Code Noir
geschehen war.
»Wir dachten, es wäre gut, dich ein wenig länger schlafen zu lassen, Parrish. Da gehen seltsame Dinge vor sich; wir sind uns aber nicht sicher was genau dort geschieht. Diese Jugendlichen…«, begann Roo.
»Du meinst die Söldner? Du darfst sie nicht mit gewöhnlichen Jugendlichen verwechseln«, ermahnte ich ihn. »Das sind Tiere.« Die Masoops waren mittlerweile erwacht und lauschten unserem Gespräch. Ich sah sie eindringlich an. »Hütet euch vor den Söldnern. Ich sage es noch einmal: Das sind Tiere. Und sie würden euch alle töten.«
»Viele der… Söldner sind in Panik zum Kanal gerannt. Die anderen Menschen halten sich auf den Dachböden versteckt, oder sie sind ebenfalls geflüchtet. Etwas Schreckliches kommt auf diese Stadt zu«, erzählte Roo.
Im dämmrigen Licht des Speichers betrachtete ich die Schamanen. Mir gegenüber hockten sieben verängstigte Menschen, jeder von ihnen fest in seinem eigenen Glauben verwurzelt. Es war ein kleines Wunder, dass sie in solcher Harmonie und Friedfertigkeit beisammen saßen. Ike hatte jeden von ihnen der gleichen Folter unterzogen; vielleicht hatte sie das zusammengeschweißt.
»Wer fehlt?«, fragte ich in die Runde. Plötzlich blieb mein Blick an einem Mann haften. Er trug einen zerrissenen Dreiteiler und Sportschuhe. Es war einer der Karadji. »Wo sind die anderen?«, wollte ich von ihm wissen. »Wo ist der alte Mann?«
Der Karadji verschränkte die Hände vor dem runden Bauch.
»Loyl-me-Daac hat uns befohlen, diese Stadt zu verlassen. Du aber hast gesagt, wir sollen bleiben. Geroo meinte, wir sollten dir vertrauen. Wir haben gestritten. Dann haben uns die Söldner gejagt. Ich konnte entkommen. Ich bin der Stärkste von uns. Aber ich habe die Orientierung verloren. Dieser hier hat mich gefunden.« Ein Masoop lugte über die Schulter des Karadji. Er war so klein, dass er mir zuvor nicht aufgefallen war.
Die Worte des Karadji klangen vorwurfsvoll. Anscheinend hatte ich mich in der Tonlage vergriffen.
Ich dachte an Geroo und das Geschenk, das er mir gemacht hatte. Er war mir um einiges sympathischer gewesen als dieser fette Kerl. Warum überleben immer die Arschlöcher?
»Ich hab’ meine Famil’e nach ihm g’schickt«, bestätigte Glida und deutete mit einem Nicken auf den Karadji. »Sie ham ihn gefund’n.«
»Was ist mit euch?«, wandte ich mich an die anderen Schamanen.
»Kannst du uns nach Hause bringen, Parrish Plessis? Wir haben in dich hineingesehen, und wir vertrauen deiner Aufrichtigkeit.« Ness sprach für die anderen.
In mich hineingesehen? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Und er hatte dieses verdammte Wort benutzt: Vertrauen! Ich hasste den Ausdruck ebenso so sehr wie falsche Freunde und unechte Titten.
»Was sollen wir tun?«, fügte Ness an.
Tun? Ich massierte nachdenklich mein Kinn. Mein Kiefer schmerzte nicht mehr, und meine Wunden waren schnell verheilt. Zum ersten Mal war ich für die verbesserten Heilkräfte dankbar, die mir der Eskaalim verlieh.
… falls ich überhaupt von diesem Wesen besessen war, hieß das. Selbst Anna Schaum kannte die Ursache für meine Probleme nicht genau, und bisher konnte ich als einzigen Beweis für die Existenz des Eskaalim lediglich die Worte eines toten Schamanen und meine Halluzinationen heranziehen. Ich spielte mit der Idee, dass mich ein Verrückter wie Ike vielleicht mit einer Überdosis Stim voll gepumpt hatte, deren Wirkung aus irgendwelchen Gründen länger vorhielt als üblich.
Und dennoch fühlte ich diese andere Präsenz in meinem Körper. Sie war real; sie existierte. Ich spürte den Eskaalim mit jedem Herzschlag.
Wie auch immer. Ich würde die verbliebenen Karadji zu den Cabal Coomera bringen und die Masoops nach Torley – und wenn es das Letzte war, was ich tat. Alle anderen Probleme konnten warten.
»Okay«, sagte ich und stand auf. »So werden wir es machen: Wir gehen in Zweierreihe. Ich übernehme die Führung, und Roo bildet die Nachhut. Wenn wir durch Verbindungstunnel kriechen müssen, gehen wir hintereinander und immer in der gleichen Reihenfolge. Prägt euch ein, wer vor und wer hinter euch geht. Falls wir jemanden verlieren, bemerken wir es auf diese Weise am schnellsten. Jeder von euch…«, ich deutete auf die Schamanen, »… ist für einen Masoop verantwortlich. Passt gut auf sie auf, ansonsten…«
Ich brauchte die Drohung nicht auszusprechen. Verständnis lag in den Blicken der Schamanen, als sie zustimmend nickten.
Glida übersetzte den Masoops
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