Partials 1 – Aufbruch
schwenkte herum. Kira wollte protestieren, doch die Nadel schoss
vor wie der Stachel eines Skorpions.
32
Die Nadel bohrte sich in Kiras Brust, und das
Lokalanästhetikum betäubte den Schmerz sofort.
»Ihr könnt mich nicht wieder schlafen legen!« Kira gab sich Mühe,
energischer zu sprechen, als sie sich tatsächlich fühlte. Die Ärztin mit den
Stahlaugen schüttelte nur den Kopf.
»Wir legen Sie nicht schlafen, Mädchen. Wir bereiten Sie hierauf
vor.« Mit einer Hand, die durch einen weißen Handschuh geschützt wurde, hob sie
eine Spritze, die viel größer war als alle anderen. Die dicke Nadel war fast
fünfzehn Zentimeter lang. Kira schauderte, als sie das Ding sah, und wich so
weit zurück, wie es ihr in den Fesseln möglich war. »Keine Sorge«, sagte die
Ärztin. In der Stimme schwang nicht das leiseste Mitgefühl mit. »Das
Betäubungsmittel ist hervorragend, Sie spüren nichts. Es ist aber wichtig, dass
Sie während des Tests wach sind, damit wir Ihre Reaktionen überwachen können.
Wir wollten eine Weile warten und zuerst ein anderes Experiment durchführen,
aber da Sie zu früh aufgewacht sind, können wir auch ebenso gut beginnen.« Die
Ärztin wandte sich ab, im gleichen Augenblick schwenkte ein weiterer Arm des
spinnenähnlichen Operationsroboters herunter und stach Kira in den Schenkel, um
eine durchsichtige Spritze mit ihrem Blut zu füllen.
Kiras Herz raste. »Was war das?«
Die Ärztin antwortete, ohne sich umzuwenden, während sie die Daten
an der Wand beobachtete. »Da Sie eine gewisse Resistenz gegenüber unseren
Sedativa zeigen, analysieren wir Ihr Blut und mischen ein Mittel, das genau für
Sie passt. Sie müssen wach bleiben, aber wenn Sie während des nächsten Tests zu
sich kommen, ist niemandem geholfen.«
Kira kämpfte die Tränen nieder. Sie war fest entschlossen, vor
diesen Ungeheuern nicht zu weinen. Ich bin stärker als meine Prüfungen, sprach
sie sich gut zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung und zuckte
zusammen, als etwas Fließendes ohne festen Umriss das Licht verdeckte. Sie
unterdrückte einen Schrei. Der Schatten zog rasch an ihrem Gesicht vorbei und
legte sich auf den Körper. Samm hatte sie zugedeckt.
»Der Oberkörper muss für die Injektion frei sein«, fauchte die
Ärztin.
»Dann können Sie die Decke beiseiteschieben«, antwortete Samm. »Wenn
sie wach sein muss, sollte ihr wenigstens ein wenig Würde bleiben.«
Die Ärztin hielt inne, kniff die Augen zusammen und nickte
schließlich. »Na gut.«
Samm beugte sich über Kira. »Ich versuche, den Hauptmann zu
erreichen. Aber die Ärztin, Doktor Morgan, steht leider außerhalb der
Befehlshierarchie. Sie ist im Sondereinsatz für den Trust tätig und schwer von ihrem
Vorhaben abzuhalten.«
»Fahr zur Hölle!«, knirschte Kira.
Samm betrachtete sie, erwiderte ihren Blick jedoch nicht und
entfernte sich ohne ein weiteres Wort von dem Operationstisch.
Unterdessen diskutierten die Ärztinnen halblaut miteinander und
nahmen mit den Fingerspitzen Veränderungen an den Wandbildschirmen vor.
»… andere Versuchsobjekte … Pheromone … RM …«
Kira lauschte aufmerksam und konzentrierte sich auf die
Unterhaltung. Die Anzeigen, vor denen die Frauen standen, konnte sie nicht
erkennen, doch allmählich wurde klar, was sie besprachen.
»… geben ihr die Injektion und sehen, wie sie reagiert. Es fragt
sich, wie lange der Körper braucht, um die Partikel zu absorbieren, wie weit
sie sich ausbreiten und ob dabei Nekrosen entstehen.«
Sie werden jeden Augenblick beginnen, dachte Kira. Aber was wollen
sie mir injizieren?
Dr. Morgan nahm die große Spritze und wandte sich an Kira. Die
anderen folgten ihr und umringten den Tisch. Die Operationsspinne brachte
Greifer, Klammern, Lampen und Skalpelle in Position, die sich über ihr
versammelten wie ein stählerner Albtraum. Als die Ärztinnen der Bildschirmwand
den Rücken kehrten, konnte Kira das Bild erkennen, das sie betrachtet hatten.
Darauf war sie auch bei Samms Untersuchung gestoßen. Es war ein vergrößertes
Abbild des Raubtiers, das im Blut aller Neugeborenen wütete. Daneben war der
Schläfer abgebildet, den sie bei Samm entdeckt hatte und der dem Raubtier so
sehr ähnelte.
Dr. Morgan zog die Decke weg und legte Kiras Oberkörper frei. »Wir
haben Grund zu der Annahme, dass Sie dies sehr schnell sehr krank machen wird.«
Sie zielte mit der Nadel auf Kiras Herz. »Wir überwachen natürlich Ihre
Körperfunktionen, aber Sie müssen uns
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