Partials 1 – Aufbruch
Basilikum, Majoran … Kira half im Sommer immer im Garten, schaffte es aber nicht, sich alles zu
merken.
»Wünscht Marcus sich für das Hühnchen am Freitag Rosmarin?«, fragte
Nandita. Die alte Frau richtete sich auf und wischte sich die Erde von den
Händen. Sie sprach schnell und fast leidenschaftslos, doch Kira sah ihr an,
dass sie sich die ganze Zeit, während Kira unterwegs gewesen war, schreckliche
Sorgen gemacht hatte.
Kira lächelte.
»Hast du gehört, was er gesagt hat?«
»Da brauche ich nichts zu hören«, erwiderte Nandita. »Der Junge ist
wirklich leicht zu durchschauen.« Grunzend streckte sie den Rücken und hob
einen Korb mit frischen Blättern, Zweigen und Beeren auf. Selbst beim Gärtnern
legte sie den Sari nicht ab. »Auf dem Markt ist es heute gut gelaufen. Hilfst
du mir beim Sortieren?«
Kira nahm ihren Packen und die Sanitätstasche auf die Schulter und
folgte ihrer Ziehmutter die Verandatreppe hinauf ins Haus. Oben dröhnte Xochis
Musik. Kira lächelte. Sie musste unbedingt ein Wörtchen mit ihr reden, nachdem
sie Nandita in der Küche geholfen hatte.
Nandita liebte alle ihre Mädchen, aber Kira hatte sie ganz besonders
ins Herz geschlossen. Vielleicht weil sie anfangs die Jüngste gewesen war oder
wegen ihrer vorlauten Art. Schon als kleines Kind hatte Kira Nandita auf dem
Markt geholfen, furchtlos vorbeigehende Erwachsene angesprochen und ihnen
streng befohlen, ein Bündel Minze zu kaufen. Nandita nannte sie immer meine kleine Explosion .
Manchmal hatte Kira Schuldgefühle, weil sie so viele Erinnerungen an
Nandita und überhaupt keine an ihre Mutter hatte. Ihren Vater kannte sie, aber
ihre Mutter … nein, es war schon in Ordnung. Sie hatte ja Nandita.
»Ist etwas Aufregendes passiert, während ich weg war?«
»Meine kleine Explosion wäre fast bei einer großen gestorben.«
Nandita stieß die Innentür auf. Die früheren Besitzer – nach den Papieren,
Fotos und Tagebüchern, die herumgelegen hatten, waren es die Martels gewesen – waren hinter verschlossenen Türen gestorben. Die ersten Überlebenden waren
eingebrochen und hatten die Leichen weggeräumt. Im Lauf der Jahre hatte Nandita
die Tür viermal ersetzen müssen, weil immer wieder einmal ein Mädchen
ausgegangen war und die Schlüssel vergessen hatte. Die Tür zu ersetzen, sagte
sie, sei immer noch besser, als sie unverschlossen zu lassen. Außerdem gab es
reichlich überzählige Türen auf der Insel. Kira legte ihre Sachen ab und folgte
Nandita in die Küche.
»Du bist groß geworden.« Nandita wandte sich an der Küchentür um und
betrachtete Kira lächelnd. »Du wirst eine gute Ehefrau abgeben.«
»Äh, ja?«
Die Frau trat zur Anrichte und stellte den Korb ab, dann suchte sie
in den Schränken nach Schalen. »Willst du denn keine Ehefrau werden? Willst du
Marcus nicht heiraten?«
Kira öffnete einen Schrank und reichte Nandita eine Keramikschüssel.
»Ich … darüber habe ich noch gar nicht richtig nachgedacht.«
Nandita hielt inne, drehte sich um und starrte Kira an. Kira wand
sich unbehaglich und wartete ab, schließlich seufzte sie und hob die Hände. »Na
schön, ich habe darüber nachgedacht, mich aber noch nicht entschieden. Ich weiß
nicht, was ich will.«
»Du willst glücklich sein.« Nandita griff an Kira vorbei in den
offenen Schrank und nahm einen Geschirrstapel heraus. »Das will jeder. Du weißt
nur noch nicht, was dich glücklich macht.«
Kira schnitt eine Grimasse. »Ist das nicht verrückt?«
Nandita schüttelte den Kopf. »Glück ist das Natürlichste auf der
Welt, wenn du es hast, und etwas Fremdes, Seltsames und Unmögliches, wenn du es
nicht hast.« Sie verteilte die Teller und sortierte zusammen mit Kira die
Kräuter, legte sie in Gruppen zur Seite, riss die Blätter und Stängel ab und
warf sie in die Schalen. Der Duft von Minze erfüllte die Küche. »Es ist, als
wollte man eine Fremdsprache lernen. Du weißt genau, was du sagen willst, aber
du findest nie die richtigen Worte, solange du nicht allen Mut zusammennimmst
und redest.«
»Und wenn man nun etwas sagt, aber es ist falsch?«
»Dann hast du wahrscheinlich nur den Kellner um eine Schale
Büchereielefanten gebeten«, erwiderte Nandita. »Oder was auch sonst dabei
herauskommen mag. Ich kann nicht so gut in Bildern sprechen, ich bringe immer
alles durcheinander.«
»Schade.« Kira nahm eine Handvoll Rosmarin und brach die hellgrünen
Zweige durch, damit sie in die Schale passten. »Ich hatte gehofft, du redest
weiter über das
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