Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
nicht zu überreden. Sie gab auf und ging.
Er blieb, was er geworden war. Ein ausgemachter Profi, ein Vielschreiber. Bis die große Krise kam. Ob man das Burnout nennt oder Schreiblähmung oder Depression ist gleichgültig. Er war fertig. Er schrieb ein paar Jahre lang keine einzige Zeile. Bis ihm seine Bankberaterin riet, sein letztes Sparbuch aufzulösen, um beim Girokonto nicht im Minus zu landen.
Da raffte er sich auf und schrieb einen Sender an, für den er noch nie gearbeitet hatte, wo es also keine enttäuschten Redakteure und Produzenten gab, denen er vor Zeiten nichts mehr liefern wollte.
Er bekam einen höflichen Antwortbrief eines Dramaturgen. Darin stand, dass man sich seines Renommees bewusst sei, dass man durchaus Interesse hätte, obwohl die Planungen mit den Hausautoren auf lange Sicht fixiert wären.
Aber wenn er zur Figur des Woransky aus der Hauptabendserie »Augenzeugen« einen Einfall hätte, wäre der Sender an einem Buch – unverbindlich – interessiert.
Der Autor kannte die Figur und meinte zu wissen, was ihr fehlt. Dass das Können des Darstellers nicht annähernd ausgereizt war, hatte ihn schon einige Male geärgert. Er schrieb ein – wie er meinte – glänzendes Buch und lieferte es ab.
Kurze Zeit darauf wurde er zu einer Besprechung gebeten.
Er fuhr mit dem Auto hin und hatte fünf Stunden lang ein blödes Gefühl.
Im Sender empfing ihn erst die Sekretärin des Dramaturgen, dann der Dramaturg. Der bat ihn ins Besprechungszimmer und sagte: »Bitte, haben Sie einen Augenblick Geduld. Die Chefin möchte Sie selbst sprechen.«
Nach wenigen Minuten erschien die Chefin. Es war seine Fernsehjournalistin, sein Schreibdouble von einst. Dick ist sie geworden, dachte er.
Sie erriet, was er dachte.
»Ja, drei Kinder hinterlassen ihre Spuren.«
»Gratuliere!«, sagte er.
Sie küssten sich auf die Wangen.
Dann sagte sie: »Ich darf ehrlich sein, ja?«
»Unbedingt.«
»Du triffst den Ton nicht mehr. Die Jungen sprechen heute anders. Du bist zu kompliziert. Und die Exposition. Das mag für einen Spielfilm gut sein, aber nicht für Woransky. Der muss amerikanischer beginnen. Something is going wrong, du weißt. Und dann – sei mir nicht böse – das ist doch Machophantasie, was du da als Liebesszene im Zugabteil schreibst. Aber ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen. Du weißt, unser Hauptautor ist Ronald Klemm. Ich hab mir sein bestes Buch auf den Schreibtisch legen lassen. Wart eine Sekunde, ich hol’s dir gleich selbst …«
Sie verschwand durch die Tür. Als sie dreißig Sekunden danach wieder hereinkam, war er nicht mehr da.
Ein Jahr danach las der ehemalige Fernsehautor – er war als Teilzeit-Lektor bei einem Kinderbuchverlag untergekommen –, dass die Fernsehspielchefin eines Privatsenders fristlos entlassen wurde, weil sie unter dem Pseudonym Ronald Klemm für ihren Sender Drehbücher schrieb und sich die Spitzengage über ein Literatur-Management über Jahre selbst bezahlt hatte.
Die Recherche
EINE REDAKTION DIESER ART wird heute kaum einer mehr finden können, der Journalist werden will. Zwei Räume, altes abgenütztes Büromobiliar. Ein Chefredakteur, ein Redakteur, zwei ständige »Freie«, eine Sekretärin. Der Aufwand galt ein bis zwei Lokalseiten und einer Sportseite, regionale Mutationen einer Provinzzeitung.
Es war Sommer, es war heiß. Der Nachmittag lief mühsam an. Dem Volontär war das nie sehr angenehm, wenn er so herumsaß und das Gefühl hatte, der Chefredakteur wisse nicht, wie er ihn, der einen ständigen Freien vertrat, beschäftigen solle. Der Volontär schrieb probeweise gerade einen Blödsinn um, den er aus einem Wochenblatt herausgeschnitten hatte, da setzte sich der Chefredakteur ganz vertraulich zu ihm. Es gebe da eine Polizeimeldung über einen Selbstmord eines nicht so unbedeutenden Geschäftsmannes. Der Mann hatte sich vor einen Schnellzug geworfen. Die Motive lägen gänzlich im Dunkeln. Vom glücklichen Familienleben bis zum guten Geschäftsgang spreche alles gegen dieses Ende. Der Chefredakteur erklärte, sich normalerweise für Selbstmorde überhaupt nicht zu interessieren, dieser aber gebe ihm zu denken, mache ihn neugierig. Und dann sagte er, der Volontär sollte die Geschichte recherchieren. Am besten auf dem Friedhof, dort treffe er sicher alle wichtigen Bezugspersonen, das Begräbnis fände in einer Stunde statt. Er gönnte dem Volontär noch einen verschlagenen Blick und verließ den Raum. Dann kam er noch einmal herein und
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